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RWTH-Schreibzentrum

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14. Juni 2016 | von

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Das Internet – etwas, worauf wir uns alle verlassen. Doch was passiert, wenn es plötzlich und mit der nötigen kriminellen Energie abgeschaltet wird?
Eine äußerst kreative Kürzestgeschichte aus der Feder von Lukas Cremer aus unserem Oberseminar. Vielen Dank!

 

Martin legte den Hebel um, öffnete die Abdeckung über dem großen, roten Buzzer und drückte zu. Wenigstens kam es ihm so vor. In der realen Welt betätigte er lediglich die Enter-Taste.
“Das Internet ist aus, Chef!“
Auf dem Hauptschirm war zu sehen, wie Knoten für Knoten starb.

Frankfurt, Amsterdam, London, Moskau.
Der Verkehr über die anderen Knoten stieg an, als sie sinnloserweise versuchten, die weggebrochenen Kapazitäten zu kompensieren.

Zürich, Seoul, Tokio, Stockholm.
Martin konnte förmlich spüren, wie überall auf der Welt Techniker zu rotieren begannen. Die Endnutzer hatten noch nicht die geringste Ahnung, was kommen sollte.

Madrid, Budapest, Warschau, Ashburn.
Asche war schon immer der beste Dünger.

Hongkong, New York, Paris, Prag.
Irgendwo auf der Welt saß jemand vor seinem Computer und ärgerte sich, weil irgendein Dienst nicht lud.

Seattle, Düsseldorf, Wien, Mailand.
Martin rieb sich nervös die Hände. Auf diesen Moment hatten sie jahrelang hingearbeitet.

Bukarest, Oslo, Helsinki, Brüssel.
Stück für Stück eroberten sie die Welt. Etliche Knoten waren schon als unauffindbar gemeldet; die verbliebenen hoffnungslos überlastet.

Berlin, Ljubljana, Athen, Taipeh.
Nun funktionierte kein überregionaler Dienst mehr.

Videos, Landkarten, Nachrichten, Musikstreaming.
Sein Leben lang hatte Martin sich unterlegen gefühlt. Doch in diesen Sekunden war er wie im Rausch. Er war der mächtigste Mensch der Welt. Mehr noch, er war Gott!

Kliniken, Kraftwerke, Raffinerien, Wasserversorgungen verloren als Nächste ihre Netzwerke.
Martin weinte vor Ergriffenheit.

Gaswerke, Verkehrssysteme, Nahrungsmittelproduktion, Geldautomaten.
Das war der Moment, in dem Martin starb. Für seinen Chef war er nur ein Rädchen im Getriebe.

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