Kategorien
Seiten
-

RWTH-Schreibzentrum

Schlagwort: ‘Texten’

4 mal x

19. Juli 2019 | von

von Leonie Schmidt

Entstanden ist das Gedicht im Sommersemester 2019 in unserem Kurs „Texte in Arbeit (Oberseminar)“.


4 mal x

Ich rolle mit 4 freien Plätzen
in meinen 4 Wänden
auf meinen 4 Reifen
um 8 Uhr Richtung Arbeit

in 8 Stunden

rolle ich auf meinen 4 Reifen
in meinen 4 Wänden
mit 4 freien Plätzen
um 16 Uhr Richtung zu Hause.

Rolladen runter

12. Juli 2019 | von

von Loana Epping

Entstanden ist das Gedicht im Sommersemester 2019 in unserem Kurs „Texte in Arbeit (Oberseminar)“.


Rolladen runter

Bewegungslos
In einem Bett ohne Wärme
Dein lebloser Körper
Kein Wort dich zu wecken

Der Staub liegt hier schon
Lange und von flackernden Bildern
Angestrahlte Kinderaugen
Glänzen

Bei der nächsten Begegnung
Dein lebloser Körper
Besprenkelt von schillerndem Metall
Und dein Lächeln
Dein Angesicht des Todes

Am letzten Tag
Rührt sich dein Finger
Für eine Erinnerung
An das Gefühl
Zu fliegen

Was geht?

05. Juli 2019 | von

von Leonie Schmidt

Entstanden ist das Gedicht im Sommersemester 2019 in unserem Kurs  „Texte in Arbeit (Oberseminar)“.


Was geht?

Ich wohne
In einem großen Haus
Sogar mit Garten.

Ich wohne
In einem großen Haus
Sogar mit Garage.

Ich wohne
Nicht in einer reichen Familie
Sondern in einem Studierendenwohnheim

Und was ich noch verschwiegen habe:

Wir haben einen Waschraum.
Denn wir wohnen mit 7 Waschmaschinen
Und 299 Personen!

Ich wohne
In einem Zimmer mit 15m im Karree
Mit drei anderen in einer Vierer-WG

Und wenn meine Wäschetonne voll ist:

Gehe ich zu unserem Waschraum
Denn wir wohnen mit 7 Waschmaschinen
Und fast 300 Leuten!

Krass, das geht?
299 Personen auf 7 Waschmaschinen?
Man könnte denken, alle seien stetig besetzt
doch dabei hat man sich verschätzt.

Wohnten wir in einem anderen Haus,
hätte wohl jeder und jede

seine und ihre
eigene
Waschmaschine.

Und gebraucht würde sie
pro Woche

für
eine
Stunde.

Carsharing ist schon bekannt
Waschmaschinensharing noch nicht so sehr
aber auch das geht erstaunlich charmant.

Versteckt auf weitem Feld

28. Juni 2019 | von

von Loana Epping

Entstanden ist das Gedicht im Sommersemester 2019 in unserem Kurs „Texte in Arbeit (Oberseminar)“.


Versteckt auf weitem Feld

Geh an den Ort, an dem du sicher bist
Ein großer Karton auf Kunstrasen
In einer Welt ohne Eltern
In einer Zeit
Bei der das Surren der Kühltruhe –
Wie das Schnurren der Katze –
Den wortlosen Raum erfüllt
Zähl bis zehn, nachdem du gegessen hast

Geh an den Ort, an dem du deine Erinnerungen versteckt hast
Mit Kirschkernen vergraben
Wo tröstliche Bilder
Von offenen Särgen
Den unbemerkten Pfad entlang sprießen
Bleib dort
Bis der nächste Tag sich zeigt
Zwischen den Fäden des Fliegengitters

NXTTXT – Interesse an einem Schreibwettbewerb?

22. November 2018 | von

Auch das Schreibzentrum macht gerne Werbung in uneigener Sache.

Dort, wo die Freude am Schreiben gefördert und auch noch entlohnt wird, sind wir Feuer und Flamme.

Aachens erster Insektenburger – überraschend saftig und nussig

19. September 2018 | von

Joel Teichmann: Revolution aus der Tiefkühltruhe – der Insektenburger

Entstanden ist der Text im Sommersemester 2018 im Kurs Journalistisches Schreiben

veröffentlicht in der AZ/AN im Teil Lokales


 

Revolution aus der Tiefkühltruhe – der Insektenburger

 

„Bitte probieren Sie!“ Vorsichtig begutachtet die junge Frau das handbeschriebene Schild auf der Kühltruhe. Na, was denn probieren? Ihr Blick schweift vom Papier-Schildchen zu den kleinen braunen Stückchen, die jeweils von einem Holzstäbchen durchstochen sind. „Deutschlands erster Insektenburger“, steht großgeschrieben darüber. Die Augen der Frau weiten sich, unsicher macht sie einen Schritt zurück. Ein letztes Mal blickt die Dame auf die Probestücke, bevor sie sich angewidert schüttelt und in Richtung Kasse flüchtet.

DEUTSCHLAND, KOELN, 09.10.2017, ifood conference 2017 auf der ANUGA, Boris Oezel und Max Kraemer © Joerg Sarbach

 

Die Larven des Getreideschimmelkäfers haben den Weg in die Aachener Supermärkte gefunden. Seit April dieses Jahres verkauft Rewe Reinartz in seinen beiden Filialen in Eilendorf und an der Lütticher Straße den Insektenburger. Zwar greift nicht jeder Kunde zur neuen Rindfleisch-Alternative. Dennoch: Schon nach wenigen Wochen war der Burger ausverkauft. Allerdings vergingen Jahre der Entwicklung und Tüftelei, bevor die Larven-Bulette in der Kühltruhe landen konnte.

Die Geschichte beginnt im Jahr 2013 in Südostasien: Baris Özel schlendert mit seinem Sandkastenfreund Max Krämer durch die Straßen Bangkoks. Vorbei an Händlern, die ihre Ware am Straßenrand verkaufen. Der Duft gebratenen Essens liegt in der Luft. Vor einem Straßenhändler halten sie an und blicken in eine Pfanne, randvoll gefüllt mit Insekten. Die zwei Urlauber sind neugierig, probieren die kleinen Tierchen. „Es überkam uns“, sagt Özel später. „Obwohl nicht alles schmeckte.“ Und so wird dieser Tag die beiden Freunde zu künftigen Geschäftspartnern machen. Zu den Erfindern des ersten Insektenburgers in Deutschland.

Die Insektenzucht sei ein wichtiger Baustein zur nachhaltigen Nahrungssicherung, konstatiert die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen bereits vor fünf Jahren. Im Vergleich mit der klassischen Rindfleischproduktion benötigen sie gerade einmal ein Zehntel der Futtermittel und produzieren ein Hundertstel der Treibhausgase, wirbt der Insektenburger auf seiner Verpackung. Besonders in Asien kommen Wurm und Käfer daher bereits jetzt täglich auf den Tisch. Rund zwei Milliarden Menschen ernähren sich weltweit von den krabbelnden Lebewesen – ein Drittel der Menschheit. Warum also nicht in Deutschland?

Zu Beginn ist die Geschichte des Insektenburgers eine Geschichte des Scheiterns. Özel und Krämer, damals Studenten der Geographie und BWL, bestellen sich essbare Insekten im Internet. Der WG-Mixer soll die Tierchen in einen homogenen Klumpen verwandeln. Auf den Versuch folgt prompt die Enttäuschung: „Unser Burger sah noch nicht gut genug aus“, erklärt Özel. Mithilfe des deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik gelingt schließlich der Durchbruch: Der Insektenburger kommt im Oktober 2015 in zwei belgischen Gastronomiebetrieben auf die Speisekarte, die beiden Freunde gründen das Unternehmen „Bugfoundation“. Ein Verkauf in Deutschland bleibt hingegen untersagt. Insekten sind kein Essen, heißt es. Eine Ausnahmegenehmigung und zahlreiche strenge Auflagen wären beim Verkauf zu beachten. Ein EU-weites Lebensmittelgesetz Anfang des Jahres 2018 ändert diese Einstellung. Seitdem dürfen auch hier die Krabbeltierchen verspeist werden. „Wir haben uns gefreut wie kleine Kinder“, erinnert sich Özel. Der Weg für Deutschlands ersten Insektenburger war frei.

Schnell wird die WG zu klein und die Larven-Zucht zum niederländischen Unternehmen „Protifarm“ ausgegliedert. Vier bis sechs Wochen liegen die Würmchen dort zwischen tausenden Artgenossen in riesigen Behältern herum. „Massentierhaltung ist für die Larven das Paradies“, erläutert Özel. Schließlich sei das ihr gewohnter Lebensraum, sagt er. Nach der Brutzeit werden die Larven in eine Kühlkammer gebracht, wo sie in Schockstarre fallen und sterben. Ein Wärmebad soll anschließend die verbliebenden Keime abtöten. Etwa tausend solcher Larven formen einen Burger-Patty.

Zielgerichtet steuert ein dunkelhaariges Mädchen auf die Probestückchen im Rewe-Markt zu. „Bitte probieren Sie“, liest sie und blickt in die Truhe. Insekten also. Die Jugendliche zögert kurz, greift dann aber zu. „Schmeckt wie Falafel“, sagt sie grinsend. Ob sie es kaufen würde? Das Mädchen nickt eifrig. Nächstes Mal vielleicht.

Der Insektenburger, er schmeckt also. Zumindest waren sich darin sechs Tester und Testerinnen einig. „Wir haben den Fokus auf den Geruch und Geschmack gesetzt“, erklärt Erfinder Baris Özel. Getreu dem Motto: Die Nase isst mit. Neben den Buffalowürmern beinhaltet ein Patty unter anderem Soja, Tomatenmark, Ei, Zwiebeln und Gewürze. Generell soll es ein hochwertiges und seriöses Produkt sein, keine Mutprobe. „Es ist eben kein Lutscher mit sichtbaren Insekten“, betont Özel. Dschungelcamp und Insektenburger – das seien zwei völlig verschiedene Welten, so der Entwickler.

Und Erfolg scheint der Burger bisher auch zu haben. Die Tiefkühltruhe im Supermarkt an der Lütticher Straße ist zur Hälfte gefüllt. Im April sah das noch anders aus. Der Aachener Supermarkt war der erste Markt bundesweit, der ernsthaftes Interesse an dem Insektenburger zeigte. Und folglich auch dessen erste Verkaufsstätte in Deutschland – die Aufmerksamkeit dementsprechend hoch. Ausgerechnet am ersten April verkündete das Unternehmen den Verkauf des neuen Produkts. Ein Aprilscherz? Fehlanzeige. „Der eigentliche Scherz war, dass es kein Scherz war“, erläutert Bastian Neumann, Leiter der Filiale an der Lütticher Straße.

400 Packungen wurden zur Premiere bestellt, innerhalb von zwei Wochen waren sie ausverkauft. „Ein überragender Wert“, erklärt Michael Reinartz, Betreiber der beiden Rewe-Filialen. Von tiefgekühlten Rindfleisch-Pattys würden hingegen gerade einmal fünf bis sechs Packungen wöchentlich über die Ladentheke rutschen. 5,99 Euro kostet eine Insekten-Packung: gefüllt mit zwei großen oder alternativ sechs kleinen Pattys. „Klingt erstmal viel“, sagt Neumann. „Liegt aber im gehobenen Rindfleischniveau“. Der Grund: Derzeit sind die Rohstoffpreise der Krabbeltierchen sehr hoch, die Insektenindustrie ist noch klein. Im September automatisiert Züchter „Protifarm“ seine Anlage – vielleicht der erste Schritt zu einem preiswerteren Burger.

Der Erfolg in Aachen kommt aber nicht von ungefähr. Mit Plakaten warb der Rewe anfangs massiv für das neue Produkt – am Templergraben, Ponttor, rund um die Universität und generell dort, wo sich Studierende aufhalten könnten. „Sie sind eine mögliche Zielgruppe“, meint Neumann.

Inzwischen können jedoch nicht nur Aachener den Insektenburger im Supermarkt kaufen. Der gesamte Rewe Süd – mehr als hundert Filialen – sind nachgezogen. Auch dort komme der Burger überdurchschnittlich gut an, berichten die Entwickler. Ganz ohne Werbung.

Dennoch mag sich nicht jeder an Insekten im Lebensmittelbereich gewöhnen. Besonders in sozialen Netzwerken häuft sich auch Kritik. „Es ist für unsere Breitengrade nicht typisch“, war mehrfach zu lesen. Michael Reinartz lässt sich davon nicht beeindrucken. „Was ist denn typisch? Blutwurst?“, fragt er und runzelt die Stirn. „Wohl eher nicht.“ Schließlich zähle das vor allem bei den jüngeren Leuten keineswegs zu den Lieblingsspeisen. Der Erfolg gibt dem Rewe-Betreiber Recht.

Bislang seien es vor allem jüngere Leute, die den Insektenburger probieren, erklärt Reinartz. Selbst der Filialleiter sieht überrascht aus, als eine ältere Dame anstandslos auf die Probestückchen zusteuert. Hätte sie zu diesem Zeitpunkt gewusst, was genau dort ausliegt, dann wäre sie wie viele ihrer Vorgänger an den Würfelchen vorbeigehuscht, wird sie später zugeben. Doch sie probiert – unwissend. „Ich dachte, das sei Schokolade“, lacht sie und bemerkt selbst: „Das war es wohl nicht“. Dass es stattdessen Insekten waren? „Schmeckt man nicht“, sagt sie. Denn der Insektenburger schmeckt überraschend. Überraschend normal. Nussig und saftig.

 

 

 

Es geht mir gut

15. August 2018 | von

Matthias Cherek: Es geht mir gut

 

Entstanden ist der Text im Wintersemester 2017/2018 in unserem Oberseminar Texte in Arbeit.

 


Ich möchte, dass du mit mir stirbst.

Ich habe es geschafft pünktlich aufzustehen, nicht schlecht für den Anfang. Jetzt gibt es erst einmal einen Kaffee, damit ich auch zu was zu gebrauchen bin. Nach einer schnellen Dusche, renne ich zum Bus. Endlich schaffe ich es mal rechtzeitig zur Arbeit. Neben der Firma gibt es einen Bäcker, da hole ich mir mein Frühstück. Zuhause habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefrühstückt. Die Faulheit siegt, außerdem esse ich nicht gerne allein. Beim Bäcker gibt es den zweiten Kaffee und dann geht es mit dampfendem Becher und Donut auf die Arbeit. Im Büro ist kaum jemand. Vielleicht sind heute alle krank oder  unterwegs. Im Moment nehmen viele Urlaub, um mit ihren Familien die Feiertage zu genießen. Ich habe nicht einmal eine Freundin.

Ich warte auf dich.

Ich bin wieder im Bus, aber mir ist schlecht. Alleinsein bekommt mir eben nicht. Es könnte natürlich auch an dem Auflauf von letzter Woche liegen, den ich mir heute Mittag aufgewärmt habe. Hoffentlich ist es nichts Ernstes. Ich kann gut darauf verzichten, krank zu werden. Mein Großvater ist an einer Lebensmittelvergiftung gestorben, vielleicht sollte ich vorsichtiger sein. Na, dann gibt es heute Abend eben eine Hühnersuppe beim Fernsehen und ich gehe früh ins Bett.

Ich habe mich schon auf dich gefreut.

Jetzt bin ich doch vor dem Fernseher versackt. Es ist schon halb eins und ich kann mich nicht aufraffen, die Kiste auszuschalten. Die Suppe steht kalt in der Mikrowelle. Ich habe sie dort vergessen. Was für eine schöne Metapher – durch mein eigenes Versagen, bleibt mir sogar das kleinste Glück verwehrt. Auch auf der Arbeit, trete ich seit Monaten auf der Stelle. Wenn ich jetzt krank werde, verliere ich schon wieder einen Job und ich kann es meinem Chef nicht mal übelnehmen.

Ich sehe, du hast mich nicht vergessen.

Ich schaffe es erst um drei Uhr ins Bett zu gehen. Meine Augen brennen, weil ich stundenlang auf den Fernseher gestarrt habe. Migräne gesellt sich zu der Übelkeit. Mit jedem Pochen meines Herzens strömt das Blut schmerzhaft durch meine Schläfen. Der Mond scheint stechend hell durch mein geöffnetes Fenster. Die Furcht, die mir der Vollmond als Kind bereitet hat, habe ich bis heute nicht vergessen. Ein riesiges Auge am Himmel, das mich unentwegt beobachtet. Damals habe ich mich unter meine Decke gekauert und starr vor Angst dagelegen. Auch jetzt würde ich mich am liebsten verkriechen.

Du siehst so friedlich aus, wenn du schläfst. Ich liebe deine Albträume.

Die Stunden schleichen quälend langsam dahin, bis ich endlich einschlafe. In meinem Traum stehe ich vor einem Käfig, in dem der Hund meines Nachbarn eingesperrt ist. Sein Lefzen zucken mordlustig und ich bete, dass er das offene Tor hinter sich nicht bemerken wird. Ich drehe mich um und sein Knurren hallt aus der Dunkelheit wieder. Es schwillt zu einer unerträglichen Melodie an. Ich spüre seinen feuchtwarmen Atem in meinem Nacken. Schweißgebadet wache ich auf. Mir ist eiskalt. Es ist sechs Uhr morgens.

Ich habe einen schönen Ort ausgewählt. Du kennst ihn gut.

Ich liege schon seit einer halben Stunde wach und kann mich nicht bewegen. Jeder Schatten jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken. Die Schweißausbrüche hören nicht auf und ich zittere am ganzen Körper. Der Wind schlägt mein Fenster zu und das Geräusch lässt mich heftig zusammenzucken. Endlich schaffe ich es, mich aus meiner klatschnassen Decke zu schälen. Ich fühle mich schlimmer, als nach einer Nacht auf Heroin. Ich beschließe, mich zu waschen und zum Arzt zu gehen. Mit schlurfenden Schritten gehe ich unter die Dusche – die Badewanne habe ich noch nie benutzt – aber das Wasser ist ausgefallen. Nachdem ich mich in die Küche geschleppt habe, fällt mir auf, dass es ohne Wasser auch keinen Kaffee gibt. Mein Kopf dröhnt bei dem Gedanken, ohne Koffein auskommen zu müssen, bis ich mich um einen Handwerker gekümmert habe. In der Stille kann ich hören, wie mein Nachbar seine Dusche anstellt.

Lass dir ruhig Zeit.

Nachdem ich mir mühsam eine Jogginghose übergezogen habe, will ich mich auf den Weg machen, aber die Tür ist verschlossen. Ich kann mich nicht erinnern, sie letzte Nacht abgeschlossen zu haben. Meine Hände fangen an zu zittern und ich kann es nicht unterdrücken. Mit unsicheren Schritten gehe ich zur Garderobe, um nach meinem Schlüssel zu suchen. Der Reißverschluss der Jackentasche ist offen. Als ich hineingreife, geht das Licht aus.

Kannst du das Kribbeln spüren?

Ich habe den Schlüssel nicht gefunden. Jemand ist in meiner Wohnung, ich weiß es. Ich wage es nicht, zum Sicherungskasten zu gehen, um das Licht wieder einzuschalten. Verkrampft kauere ich in meinem Versteck hinter den Jacken. Zwischen meinen unterdrückten Schluchzern höre ich leise scharrende Schritte. Ich muss an meine Schwester denken. An den Tag, an dem sie mir mit aufgerissenen Augen erklärte, dass sie verfolgt wird. Ich habe sie damals beruhigt, aber nicht ernst genommen. Vielleicht hätte ich das tun sollen.

Ich musste lange auf dich warten.

Ich stehe im Bad. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich hierhergekommen bin. Die Badewanne starrt mich an und ich starre zurück. Ich habe sie nie benutzt, weil ich damals meine Schwester in unserer Wanne gefunden habe. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie absurd der Anblick auf mich wirkte. Besonders die Farben.

Siehst du wie schön es hier ist?

Die Rasierklinge fällt aus meinen schwachen Fingern. Mein Blickfeld verengt sich langsam. Ich warte auf die ersehnte Entspannung – vergeblich. Die Paranoia bleibt bis ganz zum Schluss.

Die Antoniusstraße – Heimat und Gewerbezone

09. März 2018 | von

Ein Text über die bekannte Rotlichtstraße in Aachen.

Nach intensiver Recherche entstand die Reportage von Franziska Lütz 2017 in unserem Kurs Journalistisches Schreiben.


Auf den Hockern sitzen die Frauen: Eine ältere Dame mit gold-blonden Locken und Leoparden-Body starrt gelangweilt Löcher in die Luft. Eine große schlanke Frau lehnt mit verschränkten Armen auf ihrem Fenster, sie lächelt herzlich. In einem anderen Fenster posiert eine Schwarzhaarige mit überkreuzten Beinen, während sie konzentriert ihr Handy observiert.

Auf der anderen Seite der Scheibe drückt sich ein Mann verstohlen entlang der spärlich besetzten Fenster. Die restlichen Passanten, zwei weitere Männer, schlendern ungeniert die Straße entlang.

Das Netz des Prostitutionsgewerbes überspannt die gesamte Bundesrepublik. Rote Punkte wie die Reeperbahn in Hamburg, der Eierberg in Bochum, die Linienstraße in Dortmund, die Frauentormauer in Nürnberg und die Kurfürstenstraße in Berlin, markieren Umschlagsplätze für die älteste aller Dienstleistung: Sex. All diese Orte haben gemein, dass sie in der Nähe der kommerziellen und kulturellen Zentren liegen. Einzigartig in Aachen: Die Sichtschneise zu einem UNESCO Weltkulturerbe – dem Aachener Dom.

Die Bewohnerinnen

Tagsüber liegt die Antoniusstraße ruhig da. Innenstadtgewusel und Betriebsamkeit sind gedämpft. Der Sperrbezirk endet ohne merkliche Abgrenzung zum Rest der Altstadt, nur die Größe der Fenster verändert sich.

Ich mache mich auf die Suche nach einer Gesprächspartnerin. Nur jedes dritte Fenster ist besetzt. Ich fange unten an und frage mich bis oben durch. Die Kontaktaufnahme gestaltet sich schwierig. Ich klopfe an die Fenster, schwenke meine Hand, um meinen Redebedarf zu signalisieren. Alle Frauen sind zuerst abweisend, nach einigem Beharren meinerseits versuchen mir die meisten schließlich klarzumachen, dass sie mich nicht verstehen können und wahrscheinlich auch nicht wollen. Eine überraschend biedere Putzfrau mittleren Alters erklärt: „Die Mädchen schlafen noch und ich kann auch nicht mit Ihnen reden, sonst bekomme ich Ärger, das verstehen Sie doch?“ Die Frau wischt weiter an den großen Fensterflächen und ich schleiche die Straße weiter hoch. In meiner Verzweiflung versuche ich es schließlich auf Englisch: Erfolglos! In der Antoniusstraße spricht man viel Albanisch, Rumänisch und Bulgarisch.

Die Hoffnung schon fast aufgegeben, finde ich schließlich doch eine kleine, zierliche Frau reifen Alters. Sie öffnet den oberen Teil ihrer Tür und schaut herunter. Sie trägt riesenhafte Plateau High Heels: Ich blicke direkt auf ihren leicht verschleiernden Netz-Body. Um ihr ins Gesicht zu schauen muss ich meinen Kopf in den Nacken legen. Mit immer neuen Fragen entlocke ich ihr wenige Informationen, richtig erzählen möchte sie nicht. Antonia* ist schon lange in Deutschland, arbeitet nur zeitweiße im Sexgewerbe und hat zwei Kinder. Sie zahlt 115 Euro Miete inklusive Steuern pro Tag, arbeitet ohne Zuhälter und meist nur tagsüber. Ist es Zufall, dass nur eine relativ unabhängige Sexarbeiterin mit mir spricht?

Roshan Heiler, die Leiterin von Solidarity with women in Distress (SOLWODI) sagt: „Rund 90% der in der Antoniusstraße tätigen Frauen haben einen Migrationshintergrund.“ Das Rätsel um die Sprachenvielfalt, die Verständigungsprobleme im Gässchen löst sich auf. Was macht SOLWODI in Aachen? Sie beraten und unterstützen Frauen, die in der Prostitution tätig sind, und solche, die zur Prostitution gezwungen werden. Das große Ziel: Die Abschaffung der letzten Bastion der Sklaverei. Für die tägliche Arbeit in der Beratungsstelle bedeutet dies, Opfer von Menschenhandel identifizieren. Hierin liege die große Schwierigkeit, betont die Leiterin; der Übergang von Prostitution zu Menschenhandel verlaufe fließend. Die Zielgruppe sei letztlich sehr heterogen und reiche von der minderjährigen Zwangsprostituierten bis zur unabhängigen Sexarbeiterin ohne Zuhälter. Dazwischen die Mehrheit: Frauen, die aus persönlicher Not den Weg ins Sexgewerbe wählen und sich schließlich in einer prekären Arbeitssituation wiederfinden.

Die Aufwertung der Prostitution

War die aachener „Hurengaß“, schon immer eine Heimat von Dirnen? Die Suche nach dem Anfang führt weit in die Vergangenheit. Häufig wechselnde Namen verwischen die Spuren der Prostitution. Im späten Mittelalter noch „Mestgasse“ genannt, heißt die Straße um 1777 „Hurengaß“, dann „mittlere Mistgasse“ und schließlich ab den 1870er Jahren „Antoniusstraße“. Dietmar Kottmann vom Aachner Geschichtsverein e.V. erklärt: „Je nach Konzentration des Badewesens war ein Straßenstrich in der Nähe.“ Es kann also sein, dass die Straße im Laufe der Geschichte immer wieder das älteste Gewerbe der Welt beherbergte. Gleichzeitig, so Kottmann, spricht die aufwendige Wohnbebauung der heutigen Mefferdatisstraße für eine zeitweilige Verdrängung. Der pensionierte Jurist resümiert: „Wann die Antoniusstraße sich wieder zu einer Bordellstraße entwickelt hat, weiß ich nicht. Ich vermute erst nach dem Zweiten Weltkrieg.“

Seit 2016 läuft das Bebauungsplanverfahren für die Altstadtaufwertung[1] zwischen Büchel und Großkölnstraße, ein Prozess der sich aufgrund von Konflikten, Verhandlungen und Kompromissen zwischen Politikern, Investoren und Planern hinzieht. Wenn es zur Umsetzung der Pläne kommen sollte und die Häuser entlang der Straße abgerissen werden, müssen die Damen packen. Der Weg ist nicht weit, die neue Heimat liegt am östlichen Ende der Antoniusstraße. Der Umzug, der erste Schritt zur neueren, schöneren und saubereren Altstadt.

Ob Laufhaus[2], Bordell oder Lusthaus; die Umstrukturierung des Quartiers sieht vor, dass die Prostitution in der Altstadt verbleibt. Die FDP ist dagegen: „Wer will schon neben einem Puff wohnen?“, fragt Ratsherr Peter Blum. Die FDP wünsche sich für diese Eins-A-Lage ein Viertel mit Kunstgewerbe, kleinen Lädchen und familiärer Einwohnerstruktur – das gehe nur ohne Prostitution. „Sozialer Wohnungsbau statt Bordell“, wirbt der FDP-Mann. Die Auslagerung des Gewerbes und neue Eigentumsverhältnisse würden Kontrollmöglichkeiten für Polizei und Ordnungsamt verbessern, „alles zum Vorteil der Stadt und der Frauen.“ Alle anderen Fraktionen argumentieren andersherum: Soziale Kontrolle und Sicherheit sei nur im Zentrum gewährleistet. „Randlage heißt Verdrängung und Gefahr für die Frauen“, so die CDU-Fraktions-Frau Uschi Brammertz. Überzeugt sagt sie, „das Laufhaus wird kommen, in der Innenstadt!“

1:30Uhr, Mittwochnacht. Ich komme aus der Kneipe und wage den nächtlichen Gang durch die Gasse. Meine Verstärkung musste erst überzeugt werden, bis zum Ende hin sträubt er sich. Während wir die Fenster entlanglaufen, stellt er fest: „Die Frauen verkaufen ihren Körper wie Ware, ein Schaufenster, indem menschliches Fleisch ausgestellt ist.“ Ich erinnere mich gehört zu haben, dass Aachen eine der ersten Anlaufstellen für „frisch importierte Ware“ ist. Die Frauen werden kurz „eingearbeitet“ und dann in andere Teile Deutschlands verfrachtet. Eine verstörende Vorstellung.

Draußen warten einige potentielle Kunden, dick eingepackt in Winterjacke, Schal und Mütze. Drinnen Damen, meist nur in Spitze. Die Atmosphäre am Tag und bei Nacht scheint beinah gleich, nur die Lichtverhältnisse haben sich verändert. Statt Tageslicht dominiert der berühmte Rot-Ton und mischt sich mit kaltem blauen Neonlicht.

Das neue Gesetz soll es richten

Ein mittelgroßer Mann steht bei Minusgraden vor einem Fenster. Im Schutz der Nacht, der Straße abgewandt, bleibt sein Gesicht verborgen. Eine braungebrannte Frau lehnt sich locker nach draußen, redet, greift nach seiner Schulter. Der Freier wird am Weggehen gehindert. Mit einem flüchtigen Kuss lässt sich der Mann prompt überzeugen. Läuft so also der Verhandlungsprozess ab? Auf die Nachfrage wirkt Antonia verwirrt. Nach einigem Zögern erklärt sie: „Verhandelt wird draußen. Erst wenn Leistung und Preis festgelegt sind, darf der Freier reinkommen.“ Genaue Auskunft über ihre Preise und Anzahl der Freier will sie mir nicht geben.

2002, die gesetzliche Abschaffung der Prostitution als Sittenwidrigkeit. 2016, die weitere Regulierung des Gewerbes. Das neue Prostitutionsschutzgesetz soll die Mängel des alten Gesetzes richten: Prostituierte besser schützen, Bordellbetreiber stärker kontrollieren.[3] Kritiker bemängeln, dass das Gesetz ein Rückschritt sei. Die Frauen, insbesondere die aus Drittstaaten, können sich aus Angst vor Stigmatisierung und aufenthaltsrechtlichen Fragen der Registrierung entziehen und weiter in die Illegalität abgedrängt werden. Ein weiteres Problem für die Frauen in der Antoniusstraße: das Verbot, im gleichen Zimmer zu wohnen und zu arbeiten.

Für Antonia liegt die Sache anders. Im Gegensatz zu den meisten Anderen wohnt sie nicht in der Straße. Sie kommt morgens und kann abends wieder gehen. Ein Privileg unter den Prostituierten. Von dem Gesetz weiß sie nichts. Gleichgültig zuckt sie mit den Schultern und denkt nach, bevor sie stolz antwortet: „Es ist mir egal, ich schäme mich nicht für den Job. Ich würde mich registrieren und zum Gesundheitscheck gehen.“ Und dennoch: Ihre Familie weiß nichts von der Tätigkeit. Legalisierung hin oder her, den eigenen Körper verkaufen bleibt ein gesellschaftlicher Sittenverstoß.

Auch heute werden die Frauen arbeiten, so wie jede Nacht. Ob Bebauungsplan, neues Gesetz oder Regionalpolitik, das Geschehen der Stadt findet weit weg vom Gässchen statt. Jetzt, am späten Morgen, sind die Türen zu den „Arbeitszimmern“ verschlossen. Die Frauen erholen sich vor ihrer nächsten Schicht.


*Name verändert

[1]Altstadtaufwertung in drei Teilen. Neben dem Nordwestblock (3) und dem Südostblock (2), liegt die Antoniusstraße im Südwestblock (1). Bevor der Parkbetonklotz am Büchel angegangen wird, soll das Lusthaus gebaut und in Betrieb genommen werden. Der große Plan: Häuser abreißen, Straßenverläufe ändern und neue Plätze schaffen, um Einzelhandel, Büros, Praxen und eine Kita anzusiedeln.

[2]Die überdachte Antoniusstraße, Prostitution auf mehreren Etagen oder die neue Sex-Shoppingmall. In einem Laufhaus können Sexarbeiter/innen Zimmer anmieten und diese als Arbeitsplatz nutzen. Wie in der Straße verweilen die Damen oder Herren vor den Türen bzw. im Sichtbereich der Kunden. Die Interessenten können von Zimmer zu Zimmer ziehen, anders gesagt, Schaufenstershopping betreiben.

[3]Das neue Gesetz soll den Schutz der Prostituierten erhöhen und negative Folgen der Liberalisierung korrigieren. Lücken werden im Idealfall durch Auflagen und Regelungen geschlossen. Seit 2002 zählt Prostitution nicht mehr zu den Sittenwidrigkeiten, Sexarbeiter/innen können ihr Gewerbe seitdem als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit anmelden. Durch die Liberalisierung wurde Deutschland ein interessantes Reiseziel für Sextouristen, Nachbarstaaten sind da zum Teil restriktiver. In Frankreich hat man sich beispielsweise an Schweden orientiert und den Kauf von Sexdienstleistungen unter Strafe gestellt. Und in Deutschland. Alle Personen, die in der Sexbranche tätig sind, müssen sich registrieren. Die Frauen müssen regelmäßige Gesundheitschecks machen, im Beratungsgespräch werden die Personalien aufgenommen und ggf. der Aufenthaltsstatus geprüft. Betreiber von Bordellen, Laufhäuser, Love-mobil-Parks, Hostessen-Wohnungen u. ä. müssen in Zukunft eine Erlaubnis einholen sowie ein Betriebs- und Sicherheitskonzept vorlegen. Die Betreiber werden außerdem einer Zuverlässigkeitsprüfung unterzogen. Veränderungen im Baurecht, der Dokumentations- und Auskunftspflicht, Kondompflicht, Werbeverbot, Verbot sexueller Praktiken und Datenerfassung sollen umgesetzt werden.

 

 

Die Fahrt ans Ende der Welt

31. Mai 2016 | von

ZKS - Story (logo)

„Sie wollten nicht länger nur träumen – sie wollten leben.“ Vom Traum ins echte Leben und aus dem Kurs auf unseren Blog. Wir bedanken uns bei Katharina Schäfer aus dem Oberseminar: Texte in Arbeit für eine weitere schöne Kurzgeschichte!

 

Sie waren jung und verrückt nach Leben. Was sie wollten: die Welt hinter sich lassen und ein neues Leben in ihrem kleinen roten Auto beginnen. Sie brauchten kein Haus, kein Geld und auch keinen Plan; nur die vage Idee von Sand und Meer führte sie. Alle vier liebten das Meer, und alle vier sehnten sich nach dem salzigen Geruch, der erbarmungslosen Hitze und den wilden Pflanzen.

Keiner von ihnen unterschied sich von anderen Menschen in kleinen und großen Städten. Damals träumten sie unerfüllbare Träume, dachten an unvorstellbare Dinge, waren mit kleinsten Taten überfordert und sahen nicht den Überfluss um sich herum. Eventuell würde das wiederkommen, aber nicht zwangsweise. Im Moment waren sie zusammen und jeder von ihnen glaubte daran, dass sie nicht wieder in diesen Strudel gezogen würden. Sie würden sich gegenseitig erinnern, trösten und, wenn es sein musste, auch zwingen.

Langsam fuhren sie über heiße Landstraßen, während sie sich stetig ihrem Ziel näherten. Es war Hochsommer, und die Fahrt über die Autobahn wäre deutlich bequemer und schneller gewesen, aber keiner hatte es eilig. Wichtiger war, die prächtige Landschaft in sich einzusaugen, jeden Olivenbaum, jede Kaktee und jede Palme im Kopf nachzuzeichnen. Sich vorzustellen, wie es wäre, in den kleinen, verlassenen und teilweise abgebrannten Hütten zu leben und nie wieder in die Stadt zurückkehren zu müssen. Leise, ohne große Ankündigung, waren sie aus diesem Traum, den sie mit Tausenden teilten, geflohen. Sie wollten nicht länger nur träumen – sie wollten leben.

An einer Raststätte machten sie halt, aßen etwas, vertraten sich die Beine. „Morgen müssten wir das Meer erreichen“, sagte einer von ihnen und zeigte in die Richtung, in die sie mussten. Freude. Jubel. Einigkeit. Man entschloss sich, die Nacht durchzufahren, um schon am kommenden Mittag im Meer baden zu können. Während der Weiterfahrt lief Musik, es wurde gelacht und von der anstehenden besseren Zeit geschwärmt.

Irgendwo auf der Welt mochte Krieg sein, ihr Heimatland mochte kalt und traurig sein. Vielleicht waren alle Menschen auf der Welt, sie eingeschlossen, ersetzbar. Im Leben war nichts perfekt, doch nicht immer spielte das eine Rolle. Für sie in diesem Moment auf jeden Fall nicht. In dieser Nacht bekamen die Eingeschlafenen auf der Rückbank die wärmste Decke, wurde das letzte Kleingeld zusammengekratzt, um Kaffee für den Fahrer zu kaufen, hörte man zum hundertsten Mal zu, wenn es wieder um das leidige Thema Liebe ging. Man lebte nur in dieser Nacht.

Sie hatten nichts und waren glücklich. Sie waren Liebende, verbunden in ihrer tiefen Freundschaft, Seelenverwandte, ohne die Bedeutung der Seele zu kennen, Brüder und Schwestern, nur weil sie am Leben waren. Während es langsam dämmerte, konnten sie bereits das Rauschen des Meeres hören. Niemand konnte ihnen noch etwas anhaben.

Prokrastinierst du noch oder schreibst du schon?

20. August 2013 | von

Vorlesungsfreie Zeit – das ist die Phase, in der viele Studierende längst fällige und ewig aufgeschobene Haus- und Abschlussarbeiten, Essays, Exposés und Term Paper endlich anpacken wollen. Eigentlich. Denn angesichts eines anstehenden Schreibprozesses entwickeln sie die ungewöhnlichsten Ablenkungsmanöver: Sie putzen, trainieren hart, telefonieren, brauchen unbedingt ein neues Kleidungsstück, planen lieber schon einmal den Urlaub nach der Abgabe, widmen ihre ganze Aufmerksamkeit einer neuen Fernsehsendung, rufen alle zwei Minuten ihr E-Mail-Postfach ab und verlieren sich im Internet, das ja bekanntlich der beste Freund aller Prokrastinierenden ist.

Fällt es auch dir schwer, dich zum Schreiben zu motivieren, weil du keine Lust hast, isoliert in deinen vier Wänden wochenlang über ein paar Textzeilen zu brüten? Fehlt dir die nötige Disziplin?

„Lern doch in der Bibliothek!“ – das ist der Klassiker unter den gut gemeinten Ratschlägen. Tisch, Bücher, fleißige Menschen und ein Kaffeeautomat, was will man mehr? Zugegeben, es ist nicht jedermanns Sache, sich mit Laptop und Literatur bewaffnet einen Platz in der Masse zu erkämpfen. Und abschweifen kann man auch hier, dafür reicht schließlich ein Internetzugang. Dennoch kann die ruhige Lernatmosphäre dafür sorgen, dass man sich besser konzentrieren kann. Zumindest steigt hier das eigene schlechte Gewissen exponentiell zur Anzahl der anwesenden Mitstudierenden.

Wer lieber von zu Hause arbeitet, dem bietet das innovative Programm StartWork das Gefühl von Gesellschaft und Verbindlichkeit. Die Internet-Plattform wurde von einem Mediziner entwickelt, der über das Thema Prokrastination promoviert hat. Der Experte für Aufschiebeverhalten vertraut mit seinem Programm auf eine positive Gruppendynamik bei Lernprozessen. Das heißt konkret: Man meldet sich über Facebook an und verabredet feste Lernzeiten mit Freunden, die dann – während man arbeitet – per Webcam zugeschaltet sind. Jede Worksession besteht aus einer 50-minütigen Arbeitsphase und 10 Minuten Pause, in denen man sich austauschen kann. Mit einem Wochenkalender können die gemeinsamen Arbeitszeiten verbindlich festgehalten werden.

Startwork

Ganz egal, welche Strategie du entwickelst, eine gesunde Selbstbeobachtung hilft im Kampf gegen das weiße Blatt. Stell dir die Frage: Womit prokrastiniere ich warum und wie kann ich mich davon fern halten? Jeden Tag klare Ziele festlegen, To-do-Listen oder Zeitpläne entwerfen (sich dabei aber nicht überfordern) und bewusste Fleiß- und Freizeitphasen einrichten, das hilft, um bei der Sache zu bleiben. Wenn kein festes Abgabedatum vereinbart ist, dieses unbedingt gemeinsam mit dem Dozenten festlegen. Wir wünschen viel Erfolg beim Texten!