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Kilian

Ausgebildet – What for

26. Juni 2015 | von

Die RWTH Aachen University hat diese Woche mal wieder mit einer Platzierung in einer der ca. 500 verschiedenen weltweiten Universitätsrankings auf sich aufmerksam gemacht. In Deutschland zählt die RWTH zweifelsfrei zu den Top Adressen der technischen Unis. Als einer der 400 Wirtschaftsingenieure, die 2010 mit mir das Studium begonnen haben, kann ich nach mittlerweile neun Semestern mit Recht sagen eine sehr gute Ausbildung bekommen zu haben.

Versteht mich nicht falsch, ich bin einer der größten Kritiker von Auffassung der Lehraufgabe, wie Sie an einigen Instituten der RWTH praktiziert wird. Sei es die Betreuung einer Übung durch unerfahrene internationale Mitarbeiter, die mit einer neuen Sprache und der Leitung einer Gruppe von 400 Studenten gleichzeitig überfordert sind oder Professoren, die in einigen Fällen permanent nicht zur Vorlesung erscheinen können. Er/Sie wäre natürlich sehr gerne gekommen, aber die RWTH und Carpe Diem haben das verhindert. Der Student, und damit Leidtragende, kann zwar am Wenigsten dafür, die Verantwortung für diesen Zustand schiebt der Professor auf jeden Fall weit von sich. Ein Professor sollte meiner Auffassung nach zunächst immer für Studenten und seine Promotionsstudenten verfügbar sein und danach versuchen Lokalpolitik zu betreiben und Forschungsbudgets zu maximieren.

Dennoch hat die RWTH ihren Ausbildungsauftrag bis jetzt sehr gut erfüllt. Durch die sehr große Unabhängigkeit bin ich im Rahmen meines Studiums mit allen möglichen Problemen des Lebens konfrontiert worden, habe Erfahrungen dazugewonnen und bin vor allem in vielen Bereichen gereift. Beispiele gefällig? Ich habe mich durch die unglaubliche Bürokratie einer Anerkennung einer im Ausland erbrachten Leistung an der RWTH geschlängelt, um am Ende das Fach gar nicht zu belegen. Ich habe Prüfungen bestanden , aus denen man mit einem Gefühl geht, dass sich die Klausur eher wie ein Segeltörn mit Mastbruch nach der ersten Aufgabe und anschließendem langsamen Sinken ohne Aussicht auf Hilfe, während dem verzweifelten Blättern durch die nächsten Aufgaben, angefühlt hat. In der Vorbereitung wechselt man zwischen ungläubigem Anstarren der Musterlösung, die exakt aus zwei Zeilen besteht, und einem Kontrollblick, ob der vertraute Kollege, den man seit 4-14 Wochen jeden Tag neben sich hat, noch nicht die Nerven verliert. Dass man danach zwar wieder etwa 80% vergessen hat, ist egal. Es zählt dieses Gefühl, dass komme was wolle, man es schon immer irgendwie hinbekommen hat. Auf Rucksackreisen, die ich während der nicht-vorlesungsfreien Zeit gemacht habe, habe ich um vier Uhr morgens frittierte Froschschenkel gegessen und Flussschnecken aus Häusern gesaugt, bin durch dunkelste Straßen in Südamerika gelaufen, in dem Gefühl eher vor der nächsten Straßenlaterne ausgeraubt zu werden, als dahinter. Ich habe selbst erfahren, wie es sich anfühlt in einer Stadt, mit 35 Millionen Einwohnern und Smog-Grenzwerten jenseits von Gut und Böse, aus einer überfüllten U-Bahn auszusteigen, in die durch die selbe Türe gleichzeitig ca. 300 Leute einsteigen wollen. Verschiedene Kulturen habe ich gesehen, mit verschiedensten Nationalitäten zusammengearbeitet und spreche drei Sprachen einigermaßen passabel.

In knapp einem Jahr stehe ich dann wohl mit einem Master of Science (Schade, dass sich die Bezeichnung: „Meister der Wissenschaft“ nicht durchsetzt) vor der RWTH mit einem Schnitt, den man ganz gut vorzeigen kann. Mit internationalen und nationalen Kontakten zu verschiedensten Unternehmen und Branchen und einem Netzwerk von hochgradig intelligenten und erfolgreichen Leuten ausgestattet. Angeblich gesucht auf dem Arbeitsmarkt, mit Aussicht auf überdurchschnittliche Bezahlung, die ein sorgenfreies Leben garantiert. Doch was kommt dann? Promotion? Direkteinstieg? Beratung? Dienstleister? MBA? Mittelstand? Großkonzern? Im Großen und Ganzen laufen alle diese Alternativen, mit Zwischenschritten, auf das gleiche Szenario hinaus: Man ist hauptsächlich damit beschäftigt, Geld zu vermehren, von dem man maximal einen Bruchteil dessen in Form eines Bonus selbst behalten kann. Im Gegenzug erhält man maximale Sicherheit und eine begrenzte Verantwortung, für das was man während des Großteils des Tages fabriziert.

Doch die Frage ist, bin ich dafür ausgebildet worden?Für mich ist die logische Folge ein eigenes Unternehmen zu gründen. Eine Vorstellung, die ich seit einigen Jahren in mir trage und immer mehr reift. Sich dem Ungewissen und Problemen zu stellen, ohne in Panik zu verfallen, Bürokratie mit Ausdauer zu meistern und Kulturen von Kunden und Geschäftspartnern richtig einzuordnen, alles Situationen, für die ich „ausgebildet“ worden bin. Ich, für meinen Teil, habe vor dieses wenigstens ein Mal im Laufe meines Lebens zu versuchen.

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Heute mal wieder relativ philosophisch unterwegs, macht wahrscheinlich der Dauerregen, der mich davon abhält am Manly Beach nach ein paar Runden Beachvolleyball meine wohlverdienten Dollar in gekühlte Coronas umzusetzen. Anbei ein paar Bilder (u. a. Manly)

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