Nachdem ich bereits ein Auslandssemester in Lausanne gemacht und im Jahr darauf bei Airbus in Toulouse am A380 herumgeschraubt habe, steht nun ein halbes Jahr in Australien für ein Praktikum in Sydney auf dem Plan. Vertrag unterschrieben, Flug gebucht. Also kein Weg zurück!
Fragen meiner Freunde, ob ich das Studienfach “Ausland” belegen würde, sind noch harmloser als die Fragen, ob ich eigentlich meiner Freundin auch etwas Zeit widmen würde. Wieso ich jetzt ein Jahr vor meinem Abschluss als Master Wirt.-Ing. Maschinenbau noch unbedingt weg wollen würde, mein Lebenslauf bräuchte das doch gar nicht mehr? Ob ich meine, dass mir das was bringt? Außerdem wäre da ja auch noch Winter!
Australien ist mit Abstand das weit entfernteste Land von den Dreien, die Kultur wieder eine ganz andere. In der Schweiz konnte dank Erasmus und der zugehörigen aufgeschlossenen Studentencommunity sowieso von vornherein nichts schieflaufen. Ansprechpartner, Gleichgesinnte und Willkommensprogramm inklusive und überall. Bei Airbus war ich mit einem Kommilitonen und guten Freund aus Aachen unterwegs und in der Abteilung wurde hauptsächlich Deutsch gesprochen. Also auch dort eine sichere Kiste.
Ist es das Abenteuer in Sydney ohne persönliche Kontakte bis auf den HR Assistent der mir seine Hilfe per Mail angeboten hat, was mich reizt? An das Gefühl, Stand jetzt, noch nicht zu wissen, wo ich in 3 Wochen wohnen werde, gewöhnt man sich auch beim dritten Mal in dieser Situation noch nicht so richtig. Ich werde in einem Umfeld mit Ingenieuren, Facharbeitern und Managern aus Australien aus allen Altersklassen zusammenarbeiten, von denen ich bis jetzt mit keinem gesprochen habe. Wie das Standing von Praktikanten in Australien ist, kann mir auch irgendwie keiner sagen. Es ist zwischen Knecht für alles und Zeit absitzen alles drin. In einer Stadt mit 4,6 Millionen Einwohnern, in der Wohnzimmer für 400 AUD(knapp 300€) pro Woche an zwei Studenten vermietet werden, die sich dieses und die Wohnung mit fünf Anderen teilen. Außerhalb der Studentengemeinschaft einer Universität, in der man über den losen Kontakt in einer Lehrveranstaltung, innerhalb einer Woche zu Partys, Sport und Geselligkeit eingeladen wird, solange man offen und interessiert ist. Auf mich allein gestellt mit meinem bis oben vollen 30kg-Überlebenspaket-Trolley in der Straßenbahn vom Flughafen in die Stadt wird das alles auf mich zukommen.
Auf die oben genannten Fragen antworte ich meistens sinngemäß:
Der Winter in Sydney ist wie ein guter Frühling in Deutschland und Australien bietet auch zu dieser Jahreszeit angenehmes Klima. Davon abgesehen stehe ich jetzt ein Jahr vor meinem Abschluss mit 25 Jahren. 25 Jahre von denen die letzten 4,5 Jahre als Student, die mit Abstand ereignisreichsten, spannendsten, mit Höhen und Tiefen durchsetzten und deswegen besten Jahre meines Lebens waren. Weil ich die Möglichkeit im Rahmen meines Studiums an der RWTH habe fremde Kulturen und überragende Menschen aus aller Welt kennen zu lernen – Das Ganze fing schon im ersten Semester als Franke im Rheinland an…-. Diese Möglichkeit wird mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit bald vergangen sein. Ich will nicht ein ewiger Student bleiben, aber ich will diese Möglichkeit bis zum Ende meiner dann vorrausichtlich 12 Semester gerne und wiederholt mitnehmen. Dass die „relevante Auslandserfahrung“ im Lebenslauf steht, ist ein netter Nebeneffekt den ich gerne mitnehme. Viel wichtiger sind mir jedoch die Momente und Geschichten, die ich für mein Leben mitnehmen kann. Ich habe das Glück eine Freundin zu haben, die meine, wohl für manche etwas egoistisch erscheinende Ansicht mir diese Zeit 17 000 Kilometer entfernt von ihr zu nehmen, verstehen kann.
Aus diesen Gründen stehe ich dann mit meinem Koffer inklusive Hammer-Jetlag und ohne Wohnung am Sydney Central. Ob es an meiner grundlegenden optimistischen Lebensweise liegt, aber ich bin mir dann wahrscheinlich in diesem Moment sicher, gerade die nächste unvergessliche und vermutlich letzte Auslandsetappe meines Studiums anzutreten.
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