Wenn mich jemand in Australien fragt, wo ich herkomme, antworte ich „aus Deutschland“. Wenn mich in Deutschland jemand fragt, wo ich herkomme, antworte ich „aus Nürnberg“. Wenn mich jemand aus Nürnberg fragt, wo ich herkomme, antworte ich „Großgründlach“. Schwieriger wird es dann schon, wenn ich gefragt werde, wo mein Zuhause ist.
Kandidat 1: Walker St, Redfern, Sydney, Australien
Zur Zeit lebe ich in Sydney. Eine Weltmetropole, die seinesgleichen sucht. In einer WG mit zwei netten Australiern, die ich jetzt exakt 4 Monate kenne. Und die ich nach meiner Zeit hier mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in meinem Leben nicht mehr treffen werde. Dieses „man bleibt auf jeden Fall in Kontakt und bis bald“ – Ritual am Ende eines längeren Auslandsaufenthalts, klappt nur in den aller wenigsten Fällen. Ich habe ein ausreichend großes Zimmer und fühle mich in der Wohnung sehr wohl. Aber ob es mein Zuhause ist? Ich denke nicht. Genauso wenig wie meine WG in Lausanne mein Zuhause geworden ist oder meine (meist unbeheizte) überragende 2erWg in Toulouse. Es ist mein momentaner Rückzugspunkt in einer Stadt der unendlichen Möglichkeiten jedoch nur für einen absehbaren Zeitraum.
Kandidat 2: Großgründlacher Hauptstraße, Nürnberg, Franken, Deutschland
Ein Ort im wunderschönen Frankenland in einer der meist unterschätzten Städte Deutschlands (ok, leichter Lokalpatriotismus! Aber schaut mal vorbei, wenn ihr noch nicht da wart). Ich habe dort mit Abstand die längste Zeit meines Lebens verbracht, bin dort aufgewachsen. Mein erstes Fahrrad wurde dort geklaut, genauso wie meine Kindergartenliebe meine erste Freundin wurde. Meine Eltern leben überraschenderweise auch noch exakt dort. Ich habe noch viele Freunde in der Gegend und freue mich immer wieder hier hin zu fahren.
Aber abgesehen von ganz wenigen Leuten, weiß keiner Bescheid, wie es mir die meiste Zeit geht. Der Kontakt zu (Schul-)freunden ist merklich sporadisch geworden. Dazu haben viele selbst Nürnberg bzw. Erlangen, wo ich zur Schule gegangen bin, verlassen. Wenn ich dort bin, fühlt es sich sehr bekannt und gut an. Es ist meine Heimat, der Ursprung und mit einer Zeit verbunden, die ich nicht missen möchte.
Kandidat 3: Hermannstraße, Aachen, Rheinland, Deutschland
Seit knapp 5 Jahren stehen dort Sachen von mir in der Gegend rum. Mal in Kisten gepackt, mal aus Kisten ausgepackt. Ich habe dort einige unvergessliche Partys gefeiert. Ich habe zeitweise einen„Frühstück und Mittagessen in einem um 15 Uhr“ Studentenmodus gelebt und geliebt. Meine Freundin, die Person, die am meisten über mich weiß und deren Meinung mir besonders wichtig ist, lebt dort. Viele meiner Mitbewohner (aktuelle und ehemalige) sind sehr gute Freunde von mir geworden. Freunde mit denen ich die halbe Welt bereist habe.
Meine Jungs aus der Uni (muss man wohl so sagen, Aachen) werde ich mein Leben lang, als „den“ Glücksgriff bezeichnen. Leute mit denen ich an einem Tag ohne Rücksicht auf Verluste Weihnachtsfeiern auf dem Katschhof zelebriere, am nächsten Tag bei Döner und Bundesliga am Blücherplatz hänge. Die gleichen Jungs, mit denen ich 8h+ am Tag über Regelungstechnik gehangen hab. Mit denen ich Diskussionen geführt habe, ob nun 1A oder 3C richtig ist. Wobei am Ende meist 2B richtig war. Freunde, Kommilitonen und zeitweise Chefs, die wohl in vielen Bereichen „genau auf meiner Wellenlänge“ sind.
Genau dieses Gesamtpaket an Leuten und Erinnerungen ist es, warum Aachen mein Zuhause geworden ist. Nürnberg wird für immer meine Heimat bleiben. Sydney, Toulouse oder Lausanne sind es nicht geworden. In 5-10 Jahren werde ich wohl mit ziemlicher Sicherheit ein neues Zuhause haben, wo auch immer das sein mag. Mit hoffentlich wieder einem überragenden Gesamtpaket.
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