Ob USA, Schweden, Chile, Brasilien (gegebenenfalls erkennt sich der ein oder andere wieder) oder einfach nur in die nächste Stadt hinter der Grenze, eins verbinden alle Auslandsaufenthalte von Freunden und auch mir. Ich kenne nur ganz wenige, die diese Zeit wohl nicht als „ wohl beste Zeit ihres Lebens“ bezeichnen würden. Warum ist das eigentlich so? Ist Deutschland wirklich so mies, dass man am besten lieber heute als morgen den Abflug machen sollte? Wenn das so wäre, würden wohl viele Freunde aus dem Ausland nicht von „der besten Zeit ihres Lebens“ während ihres Semesters/Praktikums etc. in Deutschland sprechen. Deutschland hat wunderschöne Orte, Städte und Natur, Sicherheit, Wohlstand und eine wunderbare Infrastruktur. Hier in Australien zB. ist man ohne Auto aufgeschmissen. Ich denke nicht, dass es daran liegt.
Meiner Meinung nach ist es einfach das mind set (ich bin eigentlich kein großer Fan von Anglizismen, aber manchmal passen Wörter in einer anderen Sprache einfach besser). Erst gestern hatte ich wieder so einen Moment. Es ist ein Standard-Samstag im Juli, Winter, es ist nichts Großes geplant. Ein Kollege und ich treffen uns am Darling Harbour und fahren mit der Fähre im Sydney Harbour durch die Gegend. Zunächst nach Cockatoo Island, von da weiter über Circular Quay nach Rose Bay und Watson’s Bay. Es ist dieser Moment direkt auf der ersten Etappe nach Cockatoo Island. Sunnies auf der Nase, keine einzige Wolke am Himmel, Fahrtwind plus Brise weht. Segelboote, ein lebensmüder Stand Up Paddler und einige Yachten sind ebenfalls auf dem Wasser, perfekte Postkarten-Szenerie. Mein Kollege und ich grinsen fast zeitgleich und im klassischen Aussie slang sagt er, was ich exakt auch denke „ F*** warum leben wir eigentlich in Deutschland“. Wir lachen beide und genießen den Moment. Für Leute, die seit Jahren in Sydney leben ist so eine Fährfahrt einfach nur Mittel zum Zweck, sie wollen nur von A nach B kommen. Die meisten Leute sitzen im Inneren des Bootes und beschäftigen sich mit ihrem Smartphone. Es gibt Fast-Ferry Services, die dann noch 5 Minuten rausholen. Haben diese Leute verlernt Sydney zu genießen?
Jedes Mal wenn ich aus einem Auslandsaufenthalt wieder zurück nach Aachen gekommen bin, nehme ich mir vor Deutschland und Aachen bewusster wahrzunehmen, das Leben einfach mehr zu genießen und die Möglichkeiten auszukosten. Rückblickend kann ich sagen, dass ich jedes Mal grandios versagt habe. Ich hab es in 3,5 Jahren in Aachen exakt 3 Mal ans Meer in Belgien/Holland geschafft. Ich war insgesamt spärliche 3 Tage in Paris, das nur drei Stunden entfernt liegt und günstig zu erreichen ist. Amsterdam, habe ich auch nur spärlichst für einen Stopover besucht. Selbst der Privatstrand der RWTH am Rursee hat mich seltenst gesehen. Mein NRW Ticket könnte ich viel mehr nutzen.
Hier in Australien glüht meine opal card, in der Schweiz habe ich wohl mehr Zeit im Zug verbracht als in der Uni und in Frankreich hat Franky (der treue Nissan Micra meines Mitbewohners) in seinen alten Tagen alle spots rund um Toulouse gesehen. Wenn ich in Sydney einfach mal ein Wochenende nichts Großes plane, kommt dieser „Junge, du bist in Sydney verdammt und dir fällt nichts Besseres ein, als zu Hause in deiner Bude abzuhängen und planlos irgendeinen Kram im Internet zu lesen?“-Modus. Ich habe das Gefühl meine Zeit zu „verschwenden“. Gerade sitze ich also am Cogee beach im Gras und lasse mir die Wintersonne ins Gesicht scheinen. Nervig ist nur, dass ich keine Shorts zum Beachvolleyball spielen eingepackt habe.
Warum auch immer ich im Ausland besser darin bin mein Leben zu genießen und die Zeit zu nutzen, ich weiß es nicht. Fakt ist, ich werde mir wieder vornehmen in Deutschland einen besseren Job zu machen. Am besten klappt das jedoch einfach wieder an einem neuen Fleck der Erde, deswegen nennt mich meine Freundin wohl immer ihren „Weltenbummler“. Ich hoffe diesen Lifestyle mit Freundin, Familie und Job in der Zukunft vereinbaren zu können. Mal sehen, ob es klappt.
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