100 Jahre ANZAC Day – Basically, just go to a pub!
Der ANZAC Day ist jetzt bereits etwas her, trotzdem mit einiger Verspätung ein kleiner Nachtrag.
Am 25. April ist in Australien der ANZAC Day, ein australischer Nationalfeiertag. ANZAC steht hierbei für Australian and New Zealand Army Corps. Anlass des Feiertags ist, die Veteranen der beiden Weltkriege zu ehren. Ehemalige und aktuelle Soldaten sind am ANZAC Day in ihrer Militäruniform unterwegs und die Abzeichen sowie Ehrenorden/Kreuze etc. werden stolz zur Schau gestellt. Der 25. April ist ein symbolträchtiges Datum für die ANZAC, es ist der Jahrestag der Landung der ANZAC auf der Halbinsel Gallipoli in der heutigen Türkei. Am 25.04.1915 sind die ANZAC in den Ersten Weltkrieg eingestiegen und haben gegen die Truppen des Osmanischen Reichs, ein Verbündeter der Deutschen, gekämpft.
Los geht der Tag mit dem Dawn Service um 5 Uhr morgens, den ich mir aber gespart habe. Danach folgt eine Parade durch die Stadt. Auf Anraten meiner Kollegen, dass ein Teil der Parade zu sehen, durchaus ausreichend ist, bin ich dann auch mal vorbeigesteuert. Blaskapelle folgt auf Fußtruppe, auf Fußtruppe folgt Army Jeep. Danach mal wieder eine Blaskapelle. Ich denke, ihr habt den Modus erkannt. Die ganze Parade besteht wohl aus gefühlten 300 Fußtruppen von Veteranen bzw. deren Angehörigen. Die Veteranen haben den ganzen Tag über eine Art Ehrenstatus, dürfen bspw. umsonst Bus und Bahn fahren und bekommen in den allermeisten Pubs Biere gratis, bzw. wird Ihnen von den anderen Gästen eins ausgegeben. Im Hyde Park im Stadtzentrum steht ein ANZAC Memorial und ein subtiles Denkmal in Form von überdimensionaler Gewehrmunition, wo noch eine kleine Zeremonie abgehalten wurde.
Im Anschluss geht es an die Hauptaufgabe des Tages. Ab in eins der aus allen Nähten platzenden Pubs, jeweils mit abgezäuntem Außenbereich, Warteschlangen an der Bierausgabe und Plastikbecher für die Meute. Die meisten Aussies überspringen den offiziellen Teil der Parade und gehen direkt in einen Pub und spielen dort Two Up. ANZAC Day ist der einzige Tag im Jahr, an dem es legal ist im Pub um Geld zu spielen. Two up wurde früher in der Army gespielt um die Langeweile der Soldaten zu überbrücken.
Two Up
Das Spiel ist relativ einfach erklärt: Einer der Teilnehmenden steht in einem abgegrenzten Bereich und hat ein Holzteil in der Hand auf dem 2 Münzen liegen. Dieser wirft die Münzen mindestens über Kopfhöhe, und lässt diese auf den Boden fallen. Falls die Münzen head und tail zeigen, wird der Wurf wiederholt. Zeigen beide Münzen heads oder tails, gewinnt der Spieler, der auf diese gewettet hat. Also im Prinzip ein erweiteter Münzwurf. Witzig wird das Spiel dadurch, dass man gegen völlig Unbekannte spielt. Um einen Einsatz zu setzen, winkt man einfach mit dem Schein in der Höhe des Einsatzes (5$ – 50$ sind üblich, je später der Abend desto verrückter werden die Summen) und hält sich diesen mehrmals an den Kopf um zu signalisieren, dass man auf heads wettet. Wenn man also einsteigen will, sucht man sich einen Spieler, der mit dem passenden Einsatz wedelt und wettet damit auf tails. Der Spieler auf heads behält die beiden Scheine bis die Münzen eine Entscheidung treffen. Dann wird fair abgeklatscht, meist kurz ein, zwei witzige Kommentare ausgetauscht und die nächste Runde beginnt.
Das Spiel hört sich eigentlich nicht so spannend an, aber die Atmosphäre ist großartig. Ich hatte am Ende 5$ verloren, war aber einige witzige Begegnungen mit 40-jährigen Feuerwehrmännern, ein paar betrunkenen Engländern und einem Amerikaner, der mir seinen Gewinn mit einem Zwinkern überlassen hat, reicher. Etwa 150 Leute spielen mit, jede Entscheidung wird bejubelt und der Moderator sorgt für gute Stimmung. Ansonsten einfach mal bei YouTube nach ein paar Videos schauen.
Wir Deutschen haben, historisch bedingt, eine nicht so große Verbundenheit mit den Veteranen. Hier in Australien, rund 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, kam mir das teilweise etwas aufgesetzt vor. Damit meine ich nicht die Angehörigen und noch lebenden Veteranen, die teils tragische Geschichten erzählen mit einem sehr realistischen Blick auf die Historie. Ich meine den Modus vieler junger Australier, die um 15 Uhr mit einem Restkater des Vortages ins Pub kommen und 2 Up spielen und sich dann im volltrunkenen Zustand über die großartigen Taten der Großväter oder wem auch immer auslassen. Dass Krieg grausam ist, meist nur traurige Schicksale mit sich bringt und wenig Ehrenhaftes bei sich hat, werden sie und auch ich hoffentlich nie erleben müssen. Ich habe mich an diesem Tag jedoch als Außenstehender und noch dazu Deutscher zurückgehalten. Dass ich mit meinem Gefühl nicht ganz falsch lag, wurde durch eine Diskussion in den Medien über die Kommerzialisierung des ANZAC Days bestätigt, vorbei an dem eigentlichen Anlass.
Nationalsport in Australien
Es gibt hier in Australien im Prinzip drei Sportligen, die die Menschen verfolgen. Es ist ein friedliches Nebeneinander, nur sehr wenige Fans verfolgen mehrere Sportarten parallel. Dass alle 3 bzw. 4 Sportarten Football oder liebevoll Footie genannt werden, macht die Sache als Außenstehender nicht unbedingt leichter zu verstehen.
Soccer: A – League
Ich fange hier mal mit der wohl kleinsten Sportart an. Soccer, also Fußball, ist in Australien angekommen. Die A-League wird populärer und ist nicht mehr nur ein Auffangort für überalterte Stars aus Europa wie Allessandro del Piero oder Liverpool Legende Robbie Fowler. Aus deutscher Sicht haben wir hier Thomas Broich. Kennen in Deutschland wahrscheinlich die Wenigsten. Hier in Australien ist er ein absoluter Superstar im Soccer. Er wurde zum Spieler des Jahrzehnts gewählt und ist mehrmaliger Spieler des Jahres der A- League.Die Ligen folgen alle dem amerikanischen Playoff Prinzip mit dem abschließenden Grand Final der A-League Mitte Mai. Sydney FC (mit del Piero) hat dieses Jahr solide 0:3 gegen Melbourne Victory auf die Mütze bekommen. Man sieht einige hellblaue Jerseys in der Stadt während den Spielen, aber wirklich groß promotet wird es weniger. Ich würde sagen, in etwa vergleichbar mit der Rolle des Basketballs in Deutschland. Zuschauerschnitt in der Liga liegt bei etwa 13000 Leuten.
Rugby League bzw. Union
Als ein Staat des Commonwealth und mit unverkennbar britischen Wurzeln ist Rugby hier ein großes Ding. Es wird zunächst zwischen zwei verschiedenen Regelauslegungen unterschieden.
Rugby Union: Super Rugby
Rugby Union rules sind die Regeln, die man in Deutschland einfach als Rugby bezeichnet. Nach diesen Regeln werden auch die großen Turniere gespielt (Six Nations etc), also auch die epischen Duelle zwischen den Nationalteams Australiens (Wallabies) und den all blacks mit ihrem legendären Haka aus Neuseeland. Physis mit viel Geschiebe, harten Tackles, Gedränge (also ein Pulk von 100+ Kilo Jungs, die sich gegenseitig die Köpfe durch die Beine stecken und versuchen einen halben Meter Gras schnellstmöglich umzupflügen) prägen das Spiel. Die Super Rugby, also die Liga, besteht aus je 5 Teams aus Neuseeland, Südafrika und Australien.
Rugby League: NRL – National Rugby League
Die Australier haben ihre eigene Regelauslegung kreiert. Nach sechs erfolgreichen Tackles wird der Ball an die gegnerische Mannschaft übergeben, bzw. wird er nach 5 Tackles so weit wie möglich über das Feld gekickt und der Ballbesitz wechselt. Das Prinzip ist ähnlich dem American Football (jedoch ohne die 10 yards Beschränkung). Das Spiel wird dadurch viel dynamischer und artet weniger zu einem Gedränge und Geschiebe aus. Persönlich finde ich es interessanter für den Zuschauer, auch wenn einige „wahre“ Rugbyfans es für nicht authentisch halten.
Das absolute Highlight ist die state of the origin series. Dort tritt eine Auswahl aus new south Wales (der Staat in dem auch Syndey sich befindet) gegen einen Haufen aus Queensland an. Es wird zur greatest rivalry in Australian sport hochstilisiert. Eine Serie von 3 Spielen füllt die großen Stadien. Also mit ein paar Arbeitskollegen nichts wie hin zu Spiel eins. Vor dem Spiel ein Bier vom Sponsor der NSW Blues gegönnt, Queenslands Hauptsponsor war eine (selbstverständlich auch) andere Biermarke. Bei unseren Tickets waren noch eine korrekte Perücke und ein T-Shirt dabei, damit auch ja der richtige Kommerzmodus an den Start kommt. Die Atmosphäre war mit knapp über 80 000 Zuschauern zugegeben relativ gut. Nach je zwei Wiederholungen hatte man auch die beiden Anfeuerungen „GO BLUES GO“ und „NEW SOUTH WALES, NEW SOUTH WALES“ direkt schnell drauf. Leider haben die Blues nicht wirklich viel zustande gebracht und Queensland hat das Ding 11:10 mitgenommen. Das hat die Stimmung etwas gedrückt, jedoch alles in allem ein sehr gelungener Abend. Das zweite Spiel in Melbourne haben die Blues mit 26:20 gewonnen und nun läuft alles auf das Endspiel der Serie am 8. Juli in Brisbane hinaus.
AFL – Australian Football league
Die mit Abstand populärste Sportart ist die AFL. Hinter der NFL (American Football) und der deutschen Bundesliga, die drittstärkste Liga nach Zuschauerzahlen. Die Sportart ist eine Mischung aus Fußball und Rugby. Gepasst wird nach vorne ausschließlich durch einen Kick, die Präzision der Pässe mit einem Rugby-Ei über 50-60m ist wirklich herausragend anzusehen. Solange der Ball aus der Luft gefangen wird, darf nicht getackled werden. Bei einem erfolgreichen Tackle, wechselt der Ballbesitz. Das Tor ist eigentlich nicht zu verfehlen, wobei die Mitte des Tores mit 4 Punkten zählt, außerhalb 1. Der Ball muss nur zwischen die Pfosten befördert werden. Hier in Sydney regiert jedoch die NRL, da die meisten Teams der AFL aus Melbourne kommen. Deswegen bekomme ich hier nicht so viel davon mit, Interessierte finden jedoch viel bei YouTube.
VIVID Sydney
Heute mal weniger Text und mehr Bilder. Die letzten Wochen war hier VIVID SYDNEY. Ein Lichtfestival in der gesamten Stadt, das jedes Jahr größer und variantenreicher war. Das Highlight waren die Ausstellungsstücke bzw. Projektionen und Lightshows um den Circular Quay. Ich war super oft in der Stadt unterwegs, weil ich die Stimmung einfach nur genial finde. Genug gelabert, seht selbst.
Australien – Wie Europa, nur besser? Teil 1 -Die Leute des Landes
Es ist Zeit für ein kleines Zwischenfazit nach vier Wochen im Land der Kängurus, des teuren Bieres, der flächenraubenden Haus neben Haus Bauweise und in einer Stadt der wohl unendlichen Möglichkeiten. Doch was macht Australien, aus meiner persönlichen Sicht, zu einem Ziel für hunderte Backpacker. Leute, die ihr altes Leben in Europa hinter sich lassen um hier ein neues zu starten. Akademiker aus renommierten Hochschulen Europas, die sich hier als Kellner oder Bauarbeiter durchschlagen, um erst einmal Fuß zu fassen. Bankkauffrauen Ende 20, die für Mindestlohn bei 35° Mangos pflücken oder ausgebildete Handelskaufmänner, die bei strömenden Regen Zement stundenlang mit einer Schaufel auf eine Schubkarre laden. Jobs, die neben Backpackern hier meist nur Gastarbeiter aus Ländern mit schwacher Konjunktur verrichten. Unter den Backpackern sind übrigens unfassbar viele Deutsche, aus einem Land, das aus wirtschaftlicher Sicht im europäischen und weltweiten Vergleich sehr gut aussieht.
Ich werde hier in Rahmen des Blogs eine kleine Reihe von Blogs unter dem Titel „Australien – Wie Europa nur besser?“ schreiben und versuchen einen Eindruck des Landes festzuhalten. Beginnen möchte ich mit den Leuten, die einem hier begegnen.
Von der Smalltalk-Mentalität der Amerikaner geprägt, ist hier grundsätzlich jeder freundlich unterwegs und auch interessiert, was manchmal zu etwas krummen Situationen führt. Ich dachte bis heute die Franzosen toppen mit ihrer „-Ca va? -Ca va, ca va? -Ca va?“ Begrüßungsformel alles, aber der allgemeine Australier kann hier durchaus mithalten. Beispielhaft dazu folgende Situation: Kollege X kommt morgens ins Büro, in dem etwa drölf Personen bereits vor ihren PCs knechten. Vorne angefangen wird er vom Ersten mit einem „Good morning how are you doing?“ begrüßt. Aus dem Arsenal der Standardfloskeln greift er sich zunächst ein klassisches „Good, how are you?“, gefolgt vom nächsten „not to bad mate, what about you?“ um dann ein „Couldnt be better man.“ auf ein „Perfect, hope you’re the same“ folgen zu lassen, bis er dann endlich an seinem Platz angekommen ist. Dass dabei jeder bereits aufgrund des Großraumbüros bei der ersten Nachfrage wusste, dass es dem Kollegen nicht zu schlecht zu gehen scheint, stört nicht. Am Platz greift er sich das Telefon und der erste Satz ist ein, „Hi, how are you today?“… Eventuell habe ich leicht übertrieben, wer schon mal hier war, weiß aber bestimmt was ich meine.
Um den wirklichen Aussie zu treffen, bin ich wohl in der falschen Stadt gelandet. Einwanderung ist ein Teil der Kultur und des Lebens, vor allem in den Großstädten Sydney und Melbourne. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ein vom Typ her lupenreiner Chinese anfängt zu sprechen und den breitesten Aussie slang an den Tag legt. Einwanderer zweiter Generation sind wohl die meisten Leute, die ich hier als „Locals“ treffe. Oftmals sind ein oder zwei Elternteile gebürtig von overseas. Dazu kommt ein ganzer Haufen von Einwanderern erster Generation, die selbst noch nicht länger als 2-5 Jahre hier wohnen. Dieser Einfluss macht Sydney und das Land lebendig. Diskussionen über Kulturen, Lebensweisen, Lebensalternative sind an der Tagesordnung. Die einzige Landessprache Englisch vereint die verschiedenen Kulturen und gibt eine gute Plattform für Austausch. Restaurants, Festivals oder Märkte mit länderspezifischen Mottos werden zu Treffpunkten der Sydneysider.
Weiterhin haben die Leute hier zwei große Leidenschaften, Sport treiben und Alkohol trinken.
Zunächst der Sport: Hier in Sydney gibt es viele Parks, wo man die verschiedensten Sportarten beobachten kann. Auch wird hier nicht, wie in Deutschland (und wohl besonders Aachen), an der Ausrüstung gespart. So ist es keine Seltenheit in einem Park 10 Tenniscourts, 3 Basketballfelder, Outdoor Fitnessgeräte oder auch direkt mal ein perfekt gemähtes Rugbyfeld vorzufinden. Diese sind beleuchtet und stark frequentiert. Man sieht morgens wie abends Leute aller Altersklassen beim Joggen oder beim Boxtraining im Park. Viele meiner Kollegen fahren mit dem Rennrad in die Arbeit oder gehen in der Mittagspause schwimmen. In der Firma gibt es zwei Mal pro Woche ein Fitnessprogramm in der Mittagspause. Ich denke dieser kleine Überblick zeigt, wie sportlich die Australier sind und wie groß die Rolle des Sports in der Gesellschaft und Kultur ist. Kleiner Nachtrag: Das Krummste was ich bis jetzt beobachtet, war ein Quidditch game im Park. (Es sah so bescheuert aus, wie es klingt. no offence an alle Spieler 😀). Bei näherem Interesse einfach mal googlen.
Die zweite Leidenschaft der Australier wird ähnlich exzessiv betrieben. Vor allem Bier wird hier in rauen Mengen konsumiert. Der positive Aspekt daran ist, dass meistens richtig gute Stimmung ist, die Pubs sind schon ab Nachmittag voll und die Leute sind sehr offen. Ich bin mit Sicherheit kein Kind von Traurigkeit und gern auch mal für 1-4 Bierchen zu haben. In welcher Masse hier getrunken wird und wie viel Geld für Alkoholkonsum ausgegeben wird, beindruckt mich in sehr negativer Weise. Man sieht viele Jungs (aber auch die Mädels halten sich hier nicht gerade bedeckt) mit einem nicht gerade gesunden Erscheinungsbild aus dem Pub fallen. Wie viele Anzüge mit aufgerissenen Knien nach Stürzen pro Woche verschrottet werden müssen, würde mich interessieren. Da der dress code hier in Sydney ein bisschen schicker ist, trifft man so manchen mate mit Krawatte um den Kopf gebunden. Die Stimmung im Pub kippt zu späterer Stunde öfters und man sieht eigentlich jeden Abend am Wochenende Schlägereien, was wahrscheinlich der Grund für die verpflichtenden bouncer vor jedem Pub mit Schanklizenz ist. Die eigentlich sehr strikten Gesetze für Alkoholkonsum verpuffen in ihrer Wirkung jedoch komplett. Es gibt nun ein neues lock out law, nun ist der (Wieder-)Eintritt in ein Pub/Club nach 1:30 verboten und um 3:00 machen die Läden zu. Mittlerweile wird in Pubs der Eingangsbereich mit Gummimatten ausgelegt, so dass die „Ausgeknockten“ nicht mit dem Kopf auf Fliesen aufprallen und sich schwerere Verletzungen zuziehen.
Ausgebildet – What for
Die RWTH Aachen University hat diese Woche mal wieder mit einer Platzierung in einer der ca. 500 verschiedenen weltweiten Universitätsrankings auf sich aufmerksam gemacht. In Deutschland zählt die RWTH zweifelsfrei zu den Top Adressen der technischen Unis. Als einer der 400 Wirtschaftsingenieure, die 2010 mit mir das Studium begonnen haben, kann ich nach mittlerweile neun Semestern mit Recht sagen eine sehr gute Ausbildung bekommen zu haben.
Versteht mich nicht falsch, ich bin einer der größten Kritiker von Auffassung der Lehraufgabe, wie Sie an einigen Instituten der RWTH praktiziert wird. Sei es die Betreuung einer Übung durch unerfahrene internationale Mitarbeiter, die mit einer neuen Sprache und der Leitung einer Gruppe von 400 Studenten gleichzeitig überfordert sind oder Professoren, die in einigen Fällen permanent nicht zur Vorlesung erscheinen können. Er/Sie wäre natürlich sehr gerne gekommen, aber die RWTH und Carpe Diem haben das verhindert. Der Student, und damit Leidtragende, kann zwar am Wenigsten dafür, die Verantwortung für diesen Zustand schiebt der Professor auf jeden Fall weit von sich. Ein Professor sollte meiner Auffassung nach zunächst immer für Studenten und seine Promotionsstudenten verfügbar sein und danach versuchen Lokalpolitik zu betreiben und Forschungsbudgets zu maximieren.
Dennoch hat die RWTH ihren Ausbildungsauftrag bis jetzt sehr gut erfüllt. Durch die sehr große Unabhängigkeit bin ich im Rahmen meines Studiums mit allen möglichen Problemen des Lebens konfrontiert worden, habe Erfahrungen dazugewonnen und bin vor allem in vielen Bereichen gereift. Beispiele gefällig? Ich habe mich durch die unglaubliche Bürokratie einer Anerkennung einer im Ausland erbrachten Leistung an der RWTH geschlängelt, um am Ende das Fach gar nicht zu belegen. Ich habe Prüfungen bestanden , aus denen man mit einem Gefühl geht, dass sich die Klausur eher wie ein Segeltörn mit Mastbruch nach der ersten Aufgabe und anschließendem langsamen Sinken ohne Aussicht auf Hilfe, während dem verzweifelten Blättern durch die nächsten Aufgaben, angefühlt hat. In der Vorbereitung wechselt man zwischen ungläubigem Anstarren der Musterlösung, die exakt aus zwei Zeilen besteht, und einem Kontrollblick, ob der vertraute Kollege, den man seit 4-14 Wochen jeden Tag neben sich hat, noch nicht die Nerven verliert. Dass man danach zwar wieder etwa 80% vergessen hat, ist egal. Es zählt dieses Gefühl, dass komme was wolle, man es schon immer irgendwie hinbekommen hat. Auf Rucksackreisen, die ich während der nicht-vorlesungsfreien Zeit gemacht habe, habe ich um vier Uhr morgens frittierte Froschschenkel gegessen und Flussschnecken aus Häusern gesaugt, bin durch dunkelste Straßen in Südamerika gelaufen, in dem Gefühl eher vor der nächsten Straßenlaterne ausgeraubt zu werden, als dahinter. Ich habe selbst erfahren, wie es sich anfühlt in einer Stadt, mit 35 Millionen Einwohnern und Smog-Grenzwerten jenseits von Gut und Böse, aus einer überfüllten U-Bahn auszusteigen, in die durch die selbe Türe gleichzeitig ca. 300 Leute einsteigen wollen. Verschiedene Kulturen habe ich gesehen, mit verschiedensten Nationalitäten zusammengearbeitet und spreche drei Sprachen einigermaßen passabel.
In knapp einem Jahr stehe ich dann wohl mit einem Master of Science (Schade, dass sich die Bezeichnung: „Meister der Wissenschaft“ nicht durchsetzt) vor der RWTH mit einem Schnitt, den man ganz gut vorzeigen kann. Mit internationalen und nationalen Kontakten zu verschiedensten Unternehmen und Branchen und einem Netzwerk von hochgradig intelligenten und erfolgreichen Leuten ausgestattet. Angeblich gesucht auf dem Arbeitsmarkt, mit Aussicht auf überdurchschnittliche Bezahlung, die ein sorgenfreies Leben garantiert. Doch was kommt dann? Promotion? Direkteinstieg? Beratung? Dienstleister? MBA? Mittelstand? Großkonzern? Im Großen und Ganzen laufen alle diese Alternativen, mit Zwischenschritten, auf das gleiche Szenario hinaus: Man ist hauptsächlich damit beschäftigt, Geld zu vermehren, von dem man maximal einen Bruchteil dessen in Form eines Bonus selbst behalten kann. Im Gegenzug erhält man maximale Sicherheit und eine begrenzte Verantwortung, für das was man während des Großteils des Tages fabriziert.
Doch die Frage ist, bin ich dafür ausgebildet worden?Für mich ist die logische Folge ein eigenes Unternehmen zu gründen. Eine Vorstellung, die ich seit einigen Jahren in mir trage und immer mehr reift. Sich dem Ungewissen und Problemen zu stellen, ohne in Panik zu verfallen, Bürokratie mit Ausdauer zu meistern und Kulturen von Kunden und Geschäftspartnern richtig einzuordnen, alles Situationen, für die ich „ausgebildet“ worden bin. Ich, für meinen Teil, habe vor dieses wenigstens ein Mal im Laufe meines Lebens zu versuchen.
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Heute mal wieder relativ philosophisch unterwegs, macht wahrscheinlich der Dauerregen, der mich davon abhält am Manly Beach nach ein paar Runden Beachvolleyball meine wohlverdienten Dollar in gekühlte Coronas umzusetzen. Anbei ein paar Bilder (u. a. Manly)
Office Life – Sydney Style
Kurzer Überblick über meinen Arbeitsplatz: Ein typisches Großraumbüro mit jeweils vier Tischen zu einer Einheit zusammengeschoben, Neonröhren an der Decke, viel Tageslicht und einheitliche Büromöbel. Also europäischer Standard wie es sich für ein aus Deutschland stammendes Familienunternehmen gehört. An den Rechnern erstrahlt zu 95% MS Excel oder SAP, Outlook organisiert den Tagesablauf und die Kommunikation.
Nun zu dem, was das Ganze hier so spannend macht: Gegenüber sitzt ein Spanier aus Barcelona, weiterhin ein Chinese, ein Malaie, ein Inder, neben mir eine Praktikantin aus München, ein Australier mit italienischen Wurzeln („Oz born, italian roots“ wie man hier sagt)… Ich höre jetzt mal in der Mitte des Büros auf um euch nicht zu langweilen.Die Atmosphäre unter dem Einfluss aus so vielen unterschiedlichen Kulturen ist super spannend und neu für mich, vereint unter der australischen „Hey mate, ho’ a’ya?“-Mentalität. Dadurch, dass selbst der Managing Director (also der Oberchef), den man in Deutschland wahrscheinlich als Praktikant kaum zu Gesicht bekommt, einfach nur der „Michael, how are you?“ ist, entsteht eine offene und sympathische Atmosphäre, die aus meinen Eindrücken bis jetzt ein Teil Australiens ist. Es wird ausschließlich der Vorname verwendet, im täglichen Umgang und auch in Emails zu unbekannten Kollegen oder Ansprechpartnern anderer Firmen. Anfangs ist das etwas ungewohnt. Diese in Deutschland oft sehr steife Herangehensweise einfach niemanden direkt anzusprechen, um die Auswahl zwischen Siezen und Duzen zu vermeiden, fällt komplett weg und macht den Start in einer neuen Abteilung und Firma wirklich einfach.
Der große Vorteil gegenüber einem willkürlich ausgewähltem Backpackerhostel in Südostasien oder der australischen Ostküste, wo man vermutlich meistens ebenfalls eine Ansammlung verschiedenster Nationalitäten trifft, ist, dass die Leute erstens alle hervorragend Englisch sprechen und zweitens nicht am nächsten Tag nach einer durchzechten Nacht weiterziehen und man nach zwei Tagen und hundert neuen Vornamen, sich nur noch an die wenigsten erinnert. Den Standard-Smalltalk hat man mit den meisten Kollegen nach den ersten Tagen relativ schnell überwunden, so dass ich in der lunch break und den kurzen Kaffeepausen Gespräche eine wirkliche Breitseite an Einsichten in die verschiedensten Kulturen bekomme. Heute zum Beispiel beim Mittagessen mit einer Kollegin von den Philippinen.
Die meisten meiner Kollegen sind um die 30 Jahre alt, was mich besonders überrascht, dass vor allem die älteren Kollegen über 50 super offen und hilfsbereit sind. Ich habe hier noch keinen getroffen, der altersmüde erscheint oder weniger Motivation auf dem Weg zu seiner bevorstehenden Rente an den Tag legt. Vor allem macht hier keiner den „Ich bin seit 30 Jahren in der Firma und weiß wie das hier zu laufen hat, habe aber keine Lust dich an meinem Wissen teilhaben zu lassen“. Ein Phänomen oder Gefühl, was ich in deutschen Büros leider schon manchmal hatte.
Das Komplettpaket macht die Arbeit hier wirklich sehr angenehm und gibt mir hoffentlich viele Eindrücke und Impulse mit auf den Weg, die ich für mein späteres (Berufs-) Leben mitnehmen werde.
Wenn alles auf einmal teuer ist…
Ich wurde vorgewarnt. Jeder, dem ich von meinen Plänen berichtet habe, hat mir gesagt, dass Australien teuer ist. Nicht nur ein bisschen, sondern richtig teuer. Mir wurden von Nudeln mit Tomatensauce und Couscous im Wechsel berichtet. Dass der 5€ für 10l Misch-Wein aus dem Tetra-Pack (goon genannt) zwar unfassbare Kopfschmerzen macht, aber man da in den sauren Apfel beißen muss, weil alles andere außer Reichweite ist.
Es ist diese Umrechnung in Euro im Kopf, dieser Vergleich mit deutschen Preisen, von dem ich mich in vielen Momenten nicht lösen kann.
Es ist dieses Gefühl beim ersten Besuch im Supermarkt etwa 10 Minuten planlos herumzulaufen, ohne auch nur eine einzige Sache im Korb zu haben. Man denkt sich: Ok, was brauche ich. Käse. Ab zum Käseregal. Unter $7 nichts zu machen, beeindruckt denkt man sich „Hui Käse scheint teuer zu sein, dann eben kein Käse“. Auf dem Weg zum Brot komme ich an den Softdrinks vorbei. Cola 600ml A$3,60 im Supermarkt. Dieser Preis lässt mich schon kurz nachdenklich werden. „Wasser ist ja sowieso gesünder und gibt es hier überall gefiltert und gekühlt“, denke ich mir.
Mit einem schlechten Gefühl, packe ich nach gefühlt 18 Minuten mein erstes Teil überhaupt in den Korb. Eine Packung Toast für knapp A$4, der wenigstens behauptet nicht nur aus Weizenmehl und Luft zu bestehen, auch wenn er sich praktikabel auf etwa 10% seines Volumens zusammendrücken lässt. Darauf folgt das Kilo Joghurt für A$6. Dass viele Artikel hier in großen Verpackungsgrößen verkauft werden, macht die Sache jetzt nicht unbedingt besser. Weiter geht’s zu den Eiern, 12er Pack A$ 6 zunächst liegen lassen, umgedreht und dann doch in den Korb gelegt.
Es ist ein ständiger Wechsel zwischen „Vergiss es man, ich zahle doch keine 5€ für eine Packung Champignons“ und „Irgendwas sollte ich vielleicht dann doch kaufen“. Mit einem halbherzig gefüllten Korb, mit eigentlich viel weniger Sachen als ich kaufen wollte und eigentlich benötige, begebe ich mich auf den Weg zur Kasse. Der Moment der Wahrheit: 60$ für gefühlt nichts, mein Rucksack, für den ich mich hier schon fast rechtfertigen muss, warum ich keine Tüten möchte, ist noch nicht halb gefüllt. Der gleiche Rucksack der in Deutschland bei Aldi bei einem Einkauf von 15€ aus allen Nähten platzt. Zuhause angekommen muss ich beim Einräumen schmunzeln, wie kurios das eigentlich ist, dass man obwohl man relativ mehr verdient, nicht bereit ist relativ mehr auszugeben. Besonders witzig für mich persönlich war, dass ich exakt diese Situation bei meinem ersten Einkauf in der Schweiz hatte.
Im Pub, Restaurant oder Café bestelle ich mir ein Bier und trinke es in einer Geschwindigkeit bei der, in Deutschland, der Kellner zwischendurch fragen würde, ob er es mitnehmen kann oder ob sonst etwas mit dem Bier nicht stimmt.
Nach einem Haarschnitt für A$ 20 habe ich die Theorie aufgestellt, dass ich nächstes Mal eher A$ 50 investieren sollte, oder direkt für A$9 zuschlagen werde. Schlimmer kann es nicht werden, als dass der Frisör (oder besser der Typ mit der Macht in Form einer Schere) kein Englisch kann und nicht wirklich versteht, was ich ihm mitteilen will.
Ich hatte die Passage in meinem Arbeitsvertrag über das wöchentliche – hier wird vieles wöchentlich berechnet- Gehalt oft gelesen, mir kam die Höhe “astronomisch hoch” vor. Nach einiger Zeit, würde ich es wohl eher als “angemessen um sorgenfrei einen normalen Lebensstandard als Single zu führen” beschreiben.
Aber wie immer im Leben ist man zum Glück ein Gewohnheitstier. Bierchen für umgerechnet 5€ kommen mir langsam günstig vor und ein Essen unter A$ 10 ist auch schon trügerisch günstig. Nachdem ich mir dann auch mein erstes case (24×0.33l Biere) für A$ 55 gekauft habe, habe ich mich langsam akklimatisiert. Es fühlt sich trotzdem nicht richtig an.
Wohnungssuche in einer 4,5-Millionenstadt
Wie bereits in meinem ersten Blog geschrieben, bin ich ohne vorher ein Zimmer gebucht zu haben nach Sydney geflogen. Ein Dach über dem Kopf zu finden war also zunächst Priorität Nummer eins. Relativ spontan hatte ich mir in Dublin, von wo aus ich nach Sydney geflogen bin, noch eben ein Hostel am Hauptbahnhof für 2 Nächte gebucht. (Was sich als absolute Katastrophe herausstellte…)
Zunächst hatte ich mir ein paar Eckdaten gesetzt:
- Ich hätte gern mein eigenes Zimmer!
Mit das erste, was ich hier festgestellt habe, ist, dass es unter Studenten nicht unüblich ist, sich ein Zimmer zu teilen. Meister dieser Disziplin sind die asiatischen Studenten, die auch gerne mal ein Zimmer zu viert bis sechst belegen. Da dann leider nicht so viele Schlüssel zum Appartement verfügbar sind, kostet own key extra. Da mein Praktikantengehalt zum Glück relativ solide ausfällt, kann ich diese Bedingung schon mal umsetzen. Gewinner dieser Geschichte ist meist der Vermieter, der natürlich nicht in der Wohnung wohnt, sondern für ein Zimmer mit vier Stockbetten mal eben A$ 600 in der Woche einnimmt. Bezahlt von Studenten, die es sich eigentlich nicht leisten können in Sydney zu leben. Ja, richtig gelesen, Bett im 4er Zimmer, keine Privatsphäre, kein eigener Schlüssel für die Wohnung macht dann so um die A$ 120-150 in der Woche.
- Ich würde mir mein Badezimmer gerne mit weniger als vier Leuten teilen.
Da ich gerne morgens vor der Arbeit duschen will, habe ich kein Bock eine Nummer dafür zu ziehen… Die nächste Bedingung hat das Feld schon wieder weiter eingegrenzt und unter A$ 200 pro Woche war eigentlich schon nichts mehr zu holen.
- Mein Arbeitsweg sollte möglichst nicht länger als 45 Minuten dauern und die Innenstadt auch nicht außer Reichweite liegen.
Wie man das aus Europa kennt, hatte ich mir schon aus Deutschland die üblichen Webseiten organisiert. Ich hatte auch schon ein paar E-Mails mit ein paar Zeilen über mich selbst geschickt. Diesen Aufwand hätte ich mir mal gekonnt sparen können, es kam original keine einzige Antwort zurück. Das hat dann schon zu einem leicht mulmigen Gefühl geführt, aber muss man eben nehmen, wie es kommt. (Eins meiner Lebensmottos). Nachdem die Email-Taktik grandios gescheitert war, habe ich mir als erste Amtshandlung noch am Flughafen eine australische SIM-Karte besorgt und los gings.
Besichtigung 1:
Ich treffe mich in einer für mich top gelegenen Straße in Surry Hills, einem offenen, mit Bars und Kultur gespickten Viertel in der Nähe des Hauptbahnhofs. Nur circa 5 Minuten zu spät biegt James um die Ecke. James ist ein Asiate so um die 50. Auf Nachfrage schmunzelt er kurz, er wohne natürlich nicht in der Wohnung, sondern fünf internationale gemischte Studenten/Young Professionals. Wir gehen also zusammen rein, alles super eng. Ich bin jetzt nicht unbedingt pingelig was Sauberkeit betrifft, aber als James eine ca. 5cm große Kakerlake aus dem Weg gekickt hat, wusste ich, dass das hier eher nicht meine Bude wird. Als James dann auch noch freizügig in das abgeschlossene Zimmer von dem Kollegen, der das Glück hatte da raus zu dürfen, ging, habe ich mich relativ easy verabschiedet. Der erste Eindruck war also schon mal grandios. A$ 245/Woche, danke für alles James.
Besichtigung 2:
Ich treffe mich so ca. 1km weiter mit Danielle, einer netten Brasilianerin, die die Wohnung vermietet. Leider liegt diese etwas ab vom Schuss, aber die Wohnung an sich und das Zimmer sind super. Sehr internationale WG mit insgesamt 5 Leuten. Wieder war keiner zu Hause, was ich etwas seltsam finde, aber das scheint hier der Modus zu sein. Ein kleiner, aber feiner indoor pool im Keller. Nun kam der Haken, ein Argentinier pennt im Wohnzimmer, sein Bett ist nur durch einen Vorhang abgetrennt. Er ist jedoch kein arbeitsloser Backpacker, der von der Hand in den Mund lebt, sondern ist Bioingenieur (oder so in die Richtung) macht einen PhD. So langsam wird mir klar, was mich hier erwartet. Die Mietkosten scheinen hier einige Leute zu Kompromissen zu zwingen.
Kostenpunkt 290 A$ /Woche.
Besichtigung 3:
Ich hab mich eine halbe Stunde von einer durchgeknallten voll blondierten Chinesin, die nach Berlin zieht, ein Schnitzel ans Ohr labern lassen. Dass sie eigentlich auszieht und von daher es daher gut gewesen wäre, wenn Sie mal die anderen beiden, mit denen ich ggfs. zusammenwohne, zu Wort kommen lassen sollte, hat sie nicht gestört.
Besichtigung 4:
Als letztes kam ich in meiner jetzigen Wohnung bzw. Haus an. Große saubere Küche und das Zimmer ist auch völlig ausreichende 13-14qm groß. Mit mir war ein deutsches Pärchen bei der Besichtigung, Fremdschämen pur war angesagt. Nachdem Laura, eine 27jährige Australierin, die zusammen mit ihrem Bruder hier wohnt, es geschickt eingefädelt hatte, die beiden Freaks hinauszulotsen, haben wir uns gut unterhalten und verstanden. Einige Tage, ein paar Runden FIFA mit Lauras Freund und ein paar Bierchen mit Shaun(der zweite Mitbewohner) im Pub nebenan später, habe ich das Gefühl es ganz gut getroffen zu haben. Ich marschiere jeden Morgen stramme acht Minuten zum Central(der Hauptbahnhof), mein Arbeitsweg sind insgesamt 40 Minuten. Viele der Sydneysider beneiden mich dafür, einige meiner Kollegen fahren 90 Minuten einfach.
„Dein Lebenslauf braucht das doch gar nicht mehr!“
Nachdem ich bereits ein Auslandssemester in Lausanne gemacht und im Jahr darauf bei Airbus in Toulouse am A380 herumgeschraubt habe, steht nun ein halbes Jahr in Australien für ein Praktikum in Sydney auf dem Plan. Vertrag unterschrieben, Flug gebucht. Also kein Weg zurück!
Fragen meiner Freunde, ob ich das Studienfach “Ausland” belegen würde, sind noch harmloser als die Fragen, ob ich eigentlich meiner Freundin auch etwas Zeit widmen würde. Wieso ich jetzt ein Jahr vor meinem Abschluss als Master Wirt.-Ing. Maschinenbau noch unbedingt weg wollen würde, mein Lebenslauf bräuchte das doch gar nicht mehr? Ob ich meine, dass mir das was bringt? Außerdem wäre da ja auch noch Winter!
Australien ist mit Abstand das weit entfernteste Land von den Dreien, die Kultur wieder eine ganz andere. In der Schweiz konnte dank Erasmus und der zugehörigen aufgeschlossenen Studentencommunity sowieso von vornherein nichts schieflaufen. Ansprechpartner, Gleichgesinnte und Willkommensprogramm inklusive und überall. Bei Airbus war ich mit einem Kommilitonen und guten Freund aus Aachen unterwegs und in der Abteilung wurde hauptsächlich Deutsch gesprochen. Also auch dort eine sichere Kiste.
Ist es das Abenteuer in Sydney ohne persönliche Kontakte bis auf den HR Assistent der mir seine Hilfe per Mail angeboten hat, was mich reizt? An das Gefühl, Stand jetzt, noch nicht zu wissen, wo ich in 3 Wochen wohnen werde, gewöhnt man sich auch beim dritten Mal in dieser Situation noch nicht so richtig. Ich werde in einem Umfeld mit Ingenieuren, Facharbeitern und Managern aus Australien aus allen Altersklassen zusammenarbeiten, von denen ich bis jetzt mit keinem gesprochen habe. Wie das Standing von Praktikanten in Australien ist, kann mir auch irgendwie keiner sagen. Es ist zwischen Knecht für alles und Zeit absitzen alles drin. In einer Stadt mit 4,6 Millionen Einwohnern, in der Wohnzimmer für 400 AUD(knapp 300€) pro Woche an zwei Studenten vermietet werden, die sich dieses und die Wohnung mit fünf Anderen teilen. Außerhalb der Studentengemeinschaft einer Universität, in der man über den losen Kontakt in einer Lehrveranstaltung, innerhalb einer Woche zu Partys, Sport und Geselligkeit eingeladen wird, solange man offen und interessiert ist. Auf mich allein gestellt mit meinem bis oben vollen 30kg-Überlebenspaket-Trolley in der Straßenbahn vom Flughafen in die Stadt wird das alles auf mich zukommen.
Auf die oben genannten Fragen antworte ich meistens sinngemäß:
Der Winter in Sydney ist wie ein guter Frühling in Deutschland und Australien bietet auch zu dieser Jahreszeit angenehmes Klima. Davon abgesehen stehe ich jetzt ein Jahr vor meinem Abschluss mit 25 Jahren. 25 Jahre von denen die letzten 4,5 Jahre als Student, die mit Abstand ereignisreichsten, spannendsten, mit Höhen und Tiefen durchsetzten und deswegen besten Jahre meines Lebens waren. Weil ich die Möglichkeit im Rahmen meines Studiums an der RWTH habe fremde Kulturen und überragende Menschen aus aller Welt kennen zu lernen – Das Ganze fing schon im ersten Semester als Franke im Rheinland an…-. Diese Möglichkeit wird mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit bald vergangen sein. Ich will nicht ein ewiger Student bleiben, aber ich will diese Möglichkeit bis zum Ende meiner dann vorrausichtlich 12 Semester gerne und wiederholt mitnehmen. Dass die „relevante Auslandserfahrung“ im Lebenslauf steht, ist ein netter Nebeneffekt den ich gerne mitnehme. Viel wichtiger sind mir jedoch die Momente und Geschichten, die ich für mein Leben mitnehmen kann. Ich habe das Glück eine Freundin zu haben, die meine, wohl für manche etwas egoistisch erscheinende Ansicht mir diese Zeit 17 000 Kilometer entfernt von ihr zu nehmen, verstehen kann.
Aus diesen Gründen stehe ich dann mit meinem Koffer inklusive Hammer-Jetlag und ohne Wohnung am Sydney Central. Ob es an meiner grundlegenden optimistischen Lebensweise liegt, aber ich bin mir dann wahrscheinlich in diesem Moment sicher, gerade die nächste unvergessliche und vermutlich letzte Auslandsetappe meines Studiums anzutreten.
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