Schlagwort: ‘Memristor’
Beobachtung von 2D‑Memristoren mit Operando‑TEM: Ein weiterer Schritt in Richtung neuromorphic Computing
Das Verständnis der Dynamik leitfähiger Filamente in memristiven Bauelementen auf Basis zweidimensionaler (2D-)Materialien wurde durch ein Forschungsteam der AMO GmbH, der RWTH Aachen University (Lehrstuhl für Elektronische Bauelemente), und des Forschungszentrums Jülich wesentlich vorangebracht.
Die Forschenden setzten Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) ein, die statt Licht einen Elektronenstrahl zur Bildgebung nutzt. Aufgrund der kurzen Wellenlänge der Elektronen lassen sich Strukturen bis hinunter zum atomaren Maßstab abbilden. Die Messungen erfolgten operando, das heißt, die 2D‑Bauelemente wurden während des elektrischen Betriebs beobachtet, nicht nur davor oder danach. Dadurch lassen sich Phänomene im Nanometerbereich in Echtzeit verfolgen.
Memristoren sind ein Schlüsselelement des neuromorphen Rechnens, da sie Rechnen und Speichern am selben Ort vereinen. Somit sinkt der Energiebedarf von Rechenoperationen drastisch.
Für diese Studie wurden zweidimensionale Schichten aus Molybdändisulfid (MoS₂) verwendet. MoS₂ ist eine vielversprechende chemische Verbindung für memristive Bauelemente, weil seine atomar dünne, geschichtete 2D‑Struktur interschichtliche van‑der‑Waals‑Lücken aufweist. Das sind nanoskalige Abstände, die durch schwache van‑der‑Waals‑Wechselwirkungen stabilisiert werden und effiziente Transportpfade für Ionen und Metallatome bereitstellen. Diese Pfade ermöglichen die kontrollierte Bildung und Auflösung leitfähiger Filamente und damit das resistive Schaltverhalten, das für den Betrieb der Bauelemente erforderlich ist.

Abbildung 1 – Schichten eines zweidimensionalen Memristors und Pd/Ag‑Elektroden zur Erzeugung einer Potentialdifferenz – nature.com
Unter angelegter Spannung beobachteten die Forschenden Silberionen direkt, wie sie sich durch das MoS₂‑Medium entlang von Oberflächenpfaden, innerhalb interschichtlicher van‑der‑Waals‑Lücken und zwischen Bündeln bewegten. Dort lagern sie sich zu metallischen, leitfähigen Filamenten zusammen, die die Elektroden überbrücken und das Bauelement in einen niederohmigen Zustand versetzen; eine Umkehr der Polarität löst diese Filamente auf und führt das Bauelement in den hochohmigen Zustand zurück. Um die Schaltzuverlässigkeit sowie die Ursachen anomaler Ereignisse und der Zyklus‑zu‑Zyklus‑Variabilität direkt zu bewerten, wurde die operando‑TEM‑Bildgebung mit Strom‑Spannungs‑Messungen synchronisiert. Dies ermöglichte es, die Keimbildung, das Wachstum, die Bewegung und den Bruch einzelner Filamente in Echtzeit zu verfolgen und diese physikalischen Ereignisse mit elektrischen Signaturen zu korrelieren. Aus diesen Beobachtungen leiteten sie die Faktoren ab, die die Schaltleistung beeinflussen, und formulierten konkrete Empfehlungen für die Auslegung und den Betrieb von Bauelementen.
Diese Ergebnisse liefern konkrete Ansatzpunkte, um memristive Synapsen für neuromorphes Rechnen zuverlässiger zu machen. Indem ermittelt wird, wo Silberfilamente entstehen (auf MoS2‑Oberflächen, in interschichtigen van‑der‑Waals‑Lücken und zwischen MoS2‑Bündeln), und ihre Größen quantifiziert werden, wird eine gezieltere Kontrolle von Keimbildung und Wachstum der Filamente möglich. Durch die Anpassung der MoS2‑Morphologie und der Bauelementgeometrie können Ingenieur:innen die SET/RESET‑Spannungen einstellen und die Filamentdicke begrenzen und damit Schaltstrom und Energiebedarf optimieren. All diese physikbasierten Erkenntnisse unterstützen eine mechanismenbasierte Bauelementauslegung und Betriebsführung und erhöhen die Stabilität, Effizienz und Skalierbarkeit memristiver Hardware für neuromorphe Systeme.
Mit Blick nach vorn: Sobald sich die Filamentdynamik programmatisch steuern lässt und die Gerätevariabilität beherrscht ist, könnten neuromorphe Systeme vom Laborprototyp zu wafergroßen Beschleunigern reifen, die direkt auf dem Chip lernen, im Mikrowatt‑Leistungsbereich arbeiten und sich einer gehirnähnlichen Energieeffizienz annähern. Hybride Crossbars aus 2D‑Materialien, auf CMOS integriert, könnten dichte, 3D‑gestapelte „synaptische Gewebe“ ermöglichen. Memristoren lernen so ein lebenslang On‑Chip, was die Anpassungsfähigkeit der Robotik vorantreibt. Mit nativer Plastizität auf Bauelementebene könnten künftige Maschinen sich kontinuierlich an ihre Umgebung anpassen, sensorische Datenströme in Echtzeit verdichten und interpretieren sowie robuste Intelligenz in batteriebetriebenen Wearables und autonomen Agenten liefern. Dies ist ein messbarer Schritt hin zu gehirninspirierten Rechnerarchitekturen, die die Grenzen klassischer digitaler Systeme hinter sich lassen.
Quelle: nature.com
Die Abbildungen stammen aus der oben genannten Quelle. Sie sind nicht in ihrer Originalgröße und wurden zur besseren Verständlichkeit angepasst.



