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Elektrotechnik und Informationstechnik

Schlagwort: ‘Multi-project wafer runs for electronic graphene devices in the European 2D-Experimental Pilot Line project’

Graphen in der Mikroelektronik – Forschung für die Serienreife

15. Mai 2025 | von
Ein Mann steht mit verschränkten Armen in einem lichtdurchfluteten Raum.

Professor Max Lemme ist Inhaber des Lehrstuhls für Elektronische Bauelemente an der RWTH Aachen University und Direktor der gemeinnützigen Forschungseinrichtung AMO GmbH. © Martin Braun

Im Rahmen des abgeschlossenen europäischen Projektes 2D-Experimental Pilot Line (2D-EPL) wurden bei der AMO GmbH zwei Multiprojekt-Wafer-Läufe realisiert, in deren Fokus die Großserienproduktion von elektronischen Bauelementen auf Basis von Graphen stand.

Die Entdeckung von Graphen und anderen zweidimensionalen Materialien erfolgte im Jahr 2004 und wird als potenziell revolutionär für den Fortschritt in der Mikroelektronik angesehen. Die hohe Ladungsträgerbeweglichkeit, die breitbandige optische Absorption, die geringe Dicke und die große mechanische Festigkeit des Materials weckten große Erwartungen für den Einsatz von Graphen in der Elektronik, Optoelektronik und Sensorik.

„Es gibt inzwischen zahlreiche Publikationen, die Prototypen von Bauelementen auf der Basis von 2D-Materialien zeigen, deren Leistungen deutlich über dem Stand der Technik liegen“, sagt Cedric Huyghebaert, technischer Leiter des 2D-Experimental Pilot Line-Projekts.

Dennoch hat die Halbleiterindustrie bislang keine kommerziell nutzbaren Graphen-Bauelemente hergestellt. Dies ist auf eine Reihe von Herausforderungen zurückzuführen, darunter beispielsweise das Graphenwachstum, die Graphenübertragung und -reinigung. Der Übergang von wissenschaftlichen Experimenten, die nur wenige Graphen-Bauelemente umfassen, zu realen Anwendungen, die auf zuverlässigen Herstellungsverfahren für die Massenproduktion basieren, stagniert.

Die 2D-EPL war ein von der Europäischen Kommission mit 20 Millionen Euro gefördertes Projekt, das darauf abzielte, die technische Realisierbarkeit der Herstellung von Geräten auf der Basis von Graphen und anderen zweidimensionalen Materialien in großem Maßstab zu demonstrieren und somit die Markteinführbarkeit zu fördern. Zu diesem Zweck wurden im Zeitraum vom Oktober 2020 bis September 2024 sämtliche Akteure entlang der Wertschöpfungskette gebündelt und insgesamt fünf Multiprojekt-Wafer-Läufe (MPW-Läufe) realisiert. Da neben der Entwicklung von Prozessmodulen auf Industrieniveau auch die Lieferung von graphenbasierten Geräten an Kunden ein weiteres Ziel darstellte, bestand bei jedem dieser Läufe für Universitäten, Forschungsinstitute und Unternehmen die Möglichkeit, ihre Bauelemente auf einem Wafer-Chip kundenspezifisch bearbeiten zu lassen.

„Unser endgültiges Ziel ist es, zu zeigen, dass es möglich ist, eine breite Palette von Geräten auf der Grundlage zweidimensionaler Materialien in einer Weise herzustellen, die für die Industrie interessant ist, und jeder projektübergreifende Wafer-Lauf soll einen Meilenstein in diese Richtung setzen“, erklärt Professor Max Lemme, wissenschaftlicher Direktor der AMO GmbH und Inhaber des Lehrstuhls für Elektronische Bauelemente an der RWTH Aachen.

Die AMO GmbH führte den ersten und dritten Multiprojekt-Wafer-Lauf in einer hochmodernen Reinraumumgebung aus. Im Rahmen des ersten MPW-Laufs erfolgte die Definition von Graphen-Feldeffekttransistoren mit freiliegenden Graphenkanälen für chemische und Biosensor-Anwendungen, während im Rahmen des zweiten MPW-Laufs die Definition von Transistoren mit dielektrischer Verkapselung für elektronische Anwendungen realisiert wurde. Dabei wurden die spezifizierten Leistungsparameter für Beweglichkeit, Ladungsneutralpunkt, Schichtwiderstand und Kontaktwiderstand gemessen. Wurden die Zielwerte erreicht und wies die lichtmikroskopische Analyse eine akzeptable Qualität in Bezug auf Lift-off und Ätzen auf, so galt der Wafer als auslieferungsbereit. Die Forschenden stießen auf bekannte Herausforderungen, wie die Rückstandsbildung des Resists, die insbesondere bei Biosensor-Anwendungen problematisch sein kann, da eine reine Graphenoberfläche erforderlich ist. Darüber hinaus gab es zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte Problemstellungen, wie beispielsweise unerwartete kundenspezifische Anforderungen und deren technische Realisierung, die es zu lösen galt.

„Wir betrachten die Wafer-Läufe als erfolgreich, da die Ausbeute und die Leistung der Geräte die ursprünglichen Spezifikationen auf allen Wafern erfüllten oder übertrafen. Darüber hinaus konnten alle Kunden ihre Bestellungen in der vorgesehenen Zeit erhalten“, heißt es in dem wissenschaftlichen Artikel, der die Ergebnisse des ersten und dritten Multiprojekt-Wafer-Laufs vorstellt.

Die Resultate der insgesamt fünf Multiprojekt-Wafer-Läufe bilden das Fundament des Nachfolgeprojekts 2D-Pilot Line (2D-PL). Das Ziel der aktuellen Pilotlinie besteht in der Stärkung des europäischen Ökosystems für die Entwicklung von Integrationsmodulen für photonische und elektronische Prototyping-Dienste. Der Fokus der Arbeiten liegt auf der Reifung von Halbleitertechnologien sowie der Bereitstellung von Informationen zur Unterstützung der industriellen Einführung. In diesem Kontext werden umfassende Prototyping-Dienstleistungen für die Integration von 2D-Materialien, wie Graphen, auf etablierten Halbleiterplattformen mit Siliziumtechnologien angeboten.


Der wissenschaftliche Artikel Multi-project wafer runs for electronic graphene devices in the European 2D-Experimental Pilot Line project liefert weiterführende Einblicke in die Multiprojekt-Wafer-Läufe eins und drei.

Die Homepage des Lehrstuhls für Elektronische Bauelemente beinhaltet weiterführende Informationen zu dem Thema.

Der Jahresbericht 2023 des Graphene Flagship gibt einen Überblick über die Arbeiten der 2D-Experimental Pilot Line und stellt den aktuellen Stand der 2D-Materialforschung in Europa sowie neue Projekte vor.