Wer kennt es nicht: Man verlässt die Wohnung und die letzte Kontrolle ist: Schlüssel, Geldbeutel und Handy da? Dann kann es losgehen! Aber halt: Wann hast du das letzte Mal ohne dein Smartphone das Haus verlassen? Hattest du das Handy in der letzten Zeit mal einen ganzen Tag ausgeschaltet? Oder hast du mal geguckt, wie oft am Tag du es aktivierst? Für die meisten Menschen heutzutage ist es undenkbar, ohne das Handy das Haus zu verlassen oder es mehrere Stunden unbeachtet rumliegen zu lassen. Irgendwas ist doch immer los und irgendwer hat doch immer was geschrieben.
Ein Nebeneffekt davon: Das Handy hat einen ganz neuen Stellenwert für uns bekommen. Es ist immer präsent in unserer Aufmerksamkeit, selbst wenn unser eigentliches Ziel, auf das wir unsere Aufmerksamkeit richten wollen, gerade ein ganz anderes ist. Dies ist ein Effekt, den die Natur für durchaus sinnvolle Dinge nutzt, wie zum Beispiel, dass einem der eigene Name in einem Gespräch, dem man gerade nicht folgt, auffällt, oder dass Eltern, und seien sie noch so konzentriert auf irgendetwas anderes, auf Kindergeschrei reagieren. Im Falle des Handys ist dies jedoch anders, in vielen Situationen, in denen wir uns konzentrieren, braucht das Handy unsere Aufmerksamkeit nicht.
Das Paper „Brain Drain: The Mere Presence of One’s Own Smartphone Reduces Available Cognitive Capacity“ von Ward et al. untersucht die Hypothese, dass diese Aufmerksamkeit für das eigene Smartphone schlecht für die Konzentration ist, und zwar auch, wenn dieses nicht aktiv in Gebrauch ist und auch sonst keine Aufmerksamkeit einfordert, es also nur ungenutzt in der Nähe ist. In zwei Experimenten untersuchten sie, inwiefern die Anwesenheit eines Smartphones sich auf die Konzentrations- und Arbeitsfähigkeit auswirkt.
Im ersten Experiment wurde untersucht, wie sich Smartphones auf die „Working Memory Capacity“ (WMC), was als verfügbare Aufmerksamkeit übersetzt werden kann, auswirken.
Es konnte gezeigt werden, dass ein Smartphone, das ungeachtet in der Tasche oder auf dem Tisch lag, die WMC deutlich mehr beeinträchtigte, als wenn das Smartphone in einem anderen Raum lag. Und dies, obwohl die Teilnehmer fast alle sagten, dass ihr Handy sie während der Tätigkeit überhaupt nicht beeinflusst hatte. Bild 1 zeigt die Ergebnisse.
Im zweiten Experiment wurde untersucht, welchen Einfluss die Abhängigkeit oder Verbundenheit mit dem Smartphone einen Einfluss auf diesen Effekt hat. Es konnte gezeigt werden, dass Personen, die in ihrem Alltag mehr auf ihr Handy fixiert sind, deutlich mehr von diesem abgelenkt werden, als solche, die es weniger nutzen. Die Ergebnisse sind in Bild 2 zu sehen.
Zusammengefasst: Je mehr ihr im Alltag an eurem Smartphone hängt, desto mehr könnt ihr davon profitieren, wenn ihr es nicht nur auf stumm schaltet, sondern am besten in einen ganz anderen Raum legt oder es sogar zuhause lasst, wenn ihr irgendwohin geht zum Lernen. Auch, wenn es euch nicht bewusst ist, verbraucht das Smartphone durch seine reine Anwesenheit Teile eurer kognitiven Fähigkeiten. Lasst es doch das nächste Mal, wenn ihr rausgeht, mal zuhause und guckt, welchen Effekt dies auf euch hat.
Verfasst von: Iris Heisterklaus
Quelle: Brain Drain: The Mere Presence of One’s Own Smartphone Reduces Available Cognitive Capacity. Adrian F. Ward, Kristen Duke, Ayelet Gneezy, and Maarten W. Bos. Journal of the Association for Consumer Research 2017 2:2, 140-154.