Sieben Probleme, eine Woche, viele neue Erfahrungen und der Wunsch nach einem anständigen Bett
Gutes Wetter, wenig Schlaf, Mathematik, viel Kaffee und noch mehr Spaß. Was im ersten Moment für die meisten Menschen widersprüchlich klingt, beschreibt doch am treffendsten die CAMMP week 2015. CAMMP, das steht für „Computational and Mathematical Modeling Program” und ist eine kleine Erfolgsgeschichte des Lehrstuhls CCES der RWTH-Aachen. So ist diese Woche voller Mathematik dieses Jahr bereits in seine fünfte Runde gegangen und wurde für alle Beteiligten ein gelungenes Erlebnis. Ziel ist es den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, wie Mathematik in der Wissenschaft genutzt wird und dazu nicht wie im Mathematikunterricht Stift und Papier ausreichen. Dazu standen sieben offene, reelle Probleme zur Verfügung, die zu lösen waren.
Aber fangen wir vorne an: Bei strahlendem Sonnenschein, der uns für die nächsten fünf Tage nicht mehr verlassen wollte, trafen Sonntags peu à peu Schüler und Schülerinnen, Lehrkräfte und das Team der RWTH in der kleinen belgischen Jugendherberge ein. Die insgesamt 42 Schülerinnen und Schüler aus 13 Schulen trafen sich abends dann zum ersten Mal zu einer kleinen Einführung in die mathematische Modellierung, gehalten von Prof. Dr. Ahmed E. Ismail. Die Begeisterung der Teilnehmer hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch in Grenzen. Jedoch ging es mit der Vorstellung der sieben Probleme, der Gruppeneinteilung und einem ersten kleinen Kennenlernspiel weiter, in dem sich die Gruppendynamik, die sich die nächsten Tage entwickeln sollte, bereits ein erstes Mal zeigte.
Nach einer Nacht in belgischen Jugendherbergsbetten starteten wir montags in unseren Gruppen mit der Bearbeitung des gegebenen Problems. Dies mag einfacher klingen, als es tatsächlich war. Bevor wir überhaupt loslegen konnten, mussten wir erst einmal das Problem verstehen und inwiefern dies eigentlich etwas mit Mathematik zu tun hat. Daraus ergaben sich bereits die ersten Fragen, die Grundlage der Modellierung sind: Wie vereinfache ich ein komplexes, reelles Problem so, dass ich es in einem mathematischem Computermodell abbilden kann, das Aussagekraft hat.
Diese erste große Hürde konnte bereits Montags bewältigt werden. Die Arbeit an den Computern begann. Die darauf folgenden Tage zeichneten sich durch lebhafte Diskussionen, da jeder Teilnehmer eine eigene Auffassung des Problems hatte, Frustration, wenn der geschriebene Code mal wieder nicht funktionierte, und einen unfassbar hohen Kaffeeverbrauch aus. Die Dynamik und Eigenmotivation, die die Gruppen dabei entwickelten, waren mit nichts zu vergleichen, was man aus der Schule kennt. Hinzu kommt die Selbstständigkeit, mit der gearbeitet wurde: Die betreuenden Lehrer, die es sonst gewohnt waren das Zepter in der Hand zu halten und die Arbeit zu lenken, fanden sich auf einmal in einer Statistenrolle wieder. Um sich dennoch mit einzubringen beschränkte man sich darauf für das leibliche Wohl der Gruppe zu sorgen indem Obstteller zubereitet oder einfach nur Kaffee geholt wurde. Diese neue und ungewohnte Rolle für die Lehrer war jedoch ein gewünschter Nebeneffekt, da das fachliche Wissen diesmal gar nicht in ihren Händen lag, sondern bei den wissenschaftlichen Betreuern des CAMMP Teams. Somit war diese Woche nicht nur eine Lernmöglichkeit für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch für deren Lehrkräfte. Dies führte dazu, dass die gewohnte Schüler-Lehrer-Hierarchie durchbrochen wurde und man sich sogar auf Augenhöhe begegnete, da die Schüler zum Ende der Woche mehr Wissen über ihr Problem und deren Lösung hatten als die Lehrer. Daraus und aus der Anwesenheit von einigen Kindern des Organisationsteams resultierte eine unbefangene, fast familiäre Stimmung, die diese Veranstaltung noch weiter vom schulischen Alltag abhob. Außerdem gab es reichlich Möglichkeiten sich körperlich auszutoben und den Kopf für ein paar Minuten von Mathe, falschen Codes und dem nicht funktionierenden Internet frei zu machen. Immerzu sah man Frisbee, Basketball oder Fußball spielende Grüppchen. Den Höhepunkt hatten die sportlichen Aktivitäten am Mittwoch, an dem es galt mit seiner Gruppe in einem Sportturnier anzutreten und zu zeigen, was man doch für ein tolles Team war.
Nicht verschweigen will ich hier auch eine kleine, stetig wachsende Gruppe von Schülerinnen,Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, die so verrückt war, sich jeden morgen eine Stunde vor dem Frühstück zu treffen, um die Müdigkeit mit einer oder mehr Runden Liegestütze, Kniebeugen oder Yoga zu vertreiben.
Einzig am Donnerstag spürte man bei allen Teilnehmern eine unterschwellige Spannung, da die Deadline immer näher rückte und die Lösung noch immer nicht vollständig oder überhaupt in Sichtweite war. Allen war klar, dass diese Nacht wohl nicht so erholsam werden würde, wie die vorherigen und das der Kaffeekonsum nochmal gesteigert werden musste. Als dann auch noch bei den Probepräsentationen auffiel, dass manches was man erarbeitet hatte, gar keinen Sinn ergab, war die Motivation erst einmal im Keller. Hier konnten jedoch die Lehrer einen wichtigen Beitrag leisten und die Gruppen wieder anregen, die letzten Stunden zu investieren, um ein gutes Ergebnis abzuliefern. Als die letzten Gruppen dann um halb 5 ins Bett fielen und sich auf ganze 3,5 Stunden Schlaf freuen konnten, kam noch nicht der berechtige Stolz auf das Erreichte auf, aber das sollte sich am nächsten noch Tag ändern.
Das letzte Frühstück wurde nach einer kräftezehrenden Nacht dann auch größtenteils schweigend und in einer deutlich kleineren Runde, als an den anderen Tagen aufgenommen. Jeder war froh ein gutes Ergebnis erzielt zu haben, doch stand noch als letztes großes Event die Abschlusspräsentation vor Vertretern der RWTH und Wirtschaftsunternehmen im SuperC an. Am heißesten Tag der Woche fuhren wir zurück nach Aachen und bei allen machte sich ein Kribbeln breit, das sowohl aus Vorfreude und Lampenfieber, als auch ein wenig Enttäuschung bestand, dass nun alles so gut wie vorbei war. Als die Gruppen schlussendlich auf dem Podium standen und vor den geladenen Gästen, Lehrern, Eltern und Geschwistern ihre Ergebnisse präsentierten wurde sich jeder bewusst, welche grandiose Arbeit sie alle bewältigt hatten und das sich sämtliche Mühen gelohnt hatten. Der Stolz kam so richtig auf, als man sich nach der Präsentation mit den Vertretern der Problemsteller traf, die alle vollauf begeistert waren, und sowohl Lob als auch kleine Präsente entgegennehmen durfte.
Nun zeigte sich aber letzten Endes der Schlafmangel und blickte man im Saal um sich, sah man nicht wenige, denen es schwer fiel die Augen offen zu halten. Die Sehnsucht nach dem eigenen Bett stieg an. Das merkte man auch nachdem alle Gruppen fertig waren und man sich endlich mit den Eltern treffen konnte. Es wurde noch flüchtig einige Telefonnummern ausgetauscht und ausgemacht, dass man sich wiedersehen müsste, doch eigentlich wollte jeder nur noch nach Hause und sich hinlegen. So kam es auch, dass diese letzte Runde recht schnell ihr Ende fand und man an einigen Erfahrungen reicher, großer Zufriedenheit und mit viel Freude den Nachhauseweg antrat.
Text: Cornelius Hesse-Edenfeld (teilnehmender Student an der CAMMP week 2015 powered by Bürgerstiftung)