Archiv für Dezember 2014
ZKS Story – Fahr doch mal mit
Ferienzeit ist Reisezeit! Pünktlich dazu eine Kurzgeschichte aus der Feder von Marie Ludwig aus unserem Oberseminar: Texte in Arbeit. Wir wünschen euch schöne Feiertage und falls ihr auf Reisen geht, eine gute Fahrt!
Fahr doch mal mit
Eine Kurzgeschichte von Marie Ludwig
Bunte Lichter, laute Musik und eine unwahrscheinliche Hitze – auf den ersten Blick würde man denken, dass ich mich in einer Disco befände. Doch dem ist nicht so! Ich bin auf der A3. Genau genommen zwischen Oberhausen und Düsseldorf in einer proppenvollen Mitfahrgelegenheit: Zehn Menschen, die sich wohl nie auf „normalem“ Wege begegnet wären, noch eine verbliebene Stunde Fahrt und ich mittendrin. „Was war die verrückteste Geschichte, die du in deinem Leben jemals erlebt hast“, frage ich mich im Stillen, während ich ein Guckloch in das beschlagene Fenster wische: diese Fahrt ist sicherlich eine von solchen Geschichten, die man nur einmal erlebt.
Ich saß auf meinem Koffer an der U-Bahn-Station Friedrichsstraße in Berlin. Relativ zufrieden mit mir, dass ich das Mistding durch drei U-Bahnen, zwei Treppen ohne Rollfunktion und tausend drängelnde Menschenmassen katapultiert hatte. Alles lief nach Plan: Ich hatte die Kofferaktion überstanden, mir sogar noch ein fluffiges Croissant organisiert und ich hatte eine Mitfahrgelegenheit, die mich in 10 Minuten an ebendiesem Punkt abholen sollte. Gebannt beobachtete ich die Kennzeichen der Autos, die auf den Vorplatz der U-Bahnstation fuhren. Ich hatte gerade einen besonders großen Fetzen von meinem Croissant abgerissen, als ich ihn sah: Der weiße Transporter rollte auf mich zu und hielt mit der Stoßstange unmittelbar vor meiner Nase. Meine Augen, die voller Erstaunen bisher nur das Nummernschild wahrgenommen hatten, schweiften nach oben und starrten in das Gesicht des Fahrers Jerome. Dieser nickte mir zu, beugte sich aus dem Fenster und fragte: „Du Marie?“ Ich nickte, konnte mich aber nicht aus meiner Schockstarre herauswinden. Der circa 50-jährige Mann hinter dem Steuer des Wagens hätte einem Jerome nicht unähnlicher sein können. Dicke Pranken, auf einem mit grauem Plüsch besetzten Lenker. Dahinter ein voluminöser Körper, der mit seiner spärlichen Kopfbehaarung bis an die Autodecke reichte. Mit der linken Hand aus dem Fenster gestikulierend, gab mir Jerome zu verstehen, dass ich mich ins Auto bewegen sollte. Ich schluckte, schlang die Überreste des Croissants herunter und wuchtete meinen Koffer in Richtung Seitentüre.
Die Tür öffnete sich mit Wucht, und ich blickte in die Gesichter von sieben Menschen. Sieben Menschen, die sich scheinbar nicht besonders freuten mich zu sehen. „Ähm Jerome, du bist dir sicher, dass ich da noch reinpasse“, fragte ich kleinlaut durch den Schlitz zwischen Fenster und seinem speckigen Nacken. „Ich nix Jerome, Jerome krank! Ich Herr Virtis. Große Auto, viel Platz!“, bemerkte Herr
Virtis selbstzufrieden. Ich beschloss nichts mehr zu sagen und quetschte mich samt Koffer hinter Herr Virtis Sitz. In Embryonalstellung beobachtete ich meine Mitfahrer. Auf der Vorderbank: drei Typen, gleicher Klamottenstil, gleiche Frisuren. In meiner Bank: zwei Mädels, die unterschiedlicher nicht hätten sein können! Die Eine: blond, geschminkt, Minirock, künstliche Fingernägel. Die Andere: Piercings in Lippe und Braue, stämmig, kurze, gegelte Haare. In der letzten Reihe: eine schlafende Person und zwei unscheinbare Typen, die mit ihren Reiserucksäcken auf dem Schoß wenig glücklich dreinschauten. Doch schnell galt meine Aufmerksamkeit nur Einem: Herrn Virtis. Sich lauthals über den Verkehr beschwerend, manövrierte er den Transporter über die noch so kleinste Lücke durch den Berliner Straßenverkehr.
Trotz des wild auf- und abhüpfenden Herrn Virtis war die blonde Extensionschönheit Alina neben mir bereits bei der Autobahnauffahrt eingeschlafen. Während ich interessiert ihren mit Kleber benetzten Wimpernrand und ihr vom Makeup modelliertes Gesicht beobachtete, erfreuten sich die drei Jungs aus der ersten Reihe an Alinas offenstehenden Mund. Aus Verpackungsresten und Spucke bastelten die Sportstudenten kleine Kügelchen, die sie in Alinas Schlund zu versenken versuchten. Nach einer Verpackung Toffifee war es dann endlich soweit: Alina erwachte aus ihrem Schönheitsschlaf und spuckte zahlreiche Kügelchen in ihre Hände. Leicht verwirrt schüttelte sie ihre Haarpracht, wobei etliche Kügelchen auf uns herabschneiten. „Alta, jetzt bin isch voll dreckisch ey!“, keifte sie mehrfach im Auto herum und versuchte sich aus dem Toffifeebälleparadies zu befreien. Die Sportis auf der Vorderbank kugelten sich vor Freude und brachten mit ihren Witzen das ganze Auto in Hochstimmung. Naja, fast das ganze. Herr Virtis hatte nebenbei angefangen lauthals auf Türkisch über Headset zu telefonieren und nahm an dem Geschehen im Auto wenig teil. Inmitten dieses Zusammenspiels von türkischen Impulsivvorträgen, lachenden Fahrgästen und Alinas Hasstirade gegen Kügelchen in Ausschnitt, Haar und Hose, erwachte die schlafende Person auf dem Rücksitz. „Ey, Junge, ich muss mal sicken, jo!“, grummelte er mit benommener Stimme. Herr Virtis, der nicht sonderlich erfreut über die Unterbrechung seines Telefonats schien, drehte sich mit einem „Hä?“ zu uns um. Mit hektischen Handgriffen übernahm einer der Sportis kurzerhand das Steuer. „Du Pipi?“, fragte er mit hochgezogenen Brauen und wendete sich ächzend wieder nach vorn.
An der Raststätte angekommen, rannte der bisher unter der Jacke Verborgene eilends in Richtung der sanitären Anlagen. Als er zurückkehrte, konnte ich ihn zum ersten Mal wirklich wahrnehmen: ein spindeldürres Männlein, Baggyhose, Tanktop, rote Augen und das Kurioseste: drei kunterbunte Gameboys, die an seinem Gürtel befestigt, in seinen Schritt baumelten. Dass diese Elektrogeräte nicht nur für seine persönliche Bespaßung bestimmt waren, sollte ich noch schmerzvoll erfahren. In einigem Durcheinander und einer unglaublichen Redewelle des jüngst erwachten Gameboy-Jonas, stiegen wir zurück ins Auto. Noch zweieinhalb Stunden! Herr Virtis, der sich an der Raststätte mit einigen Snacks versorgt hatte, begann in einem unfassbaren Tempo Sonnenblumenkerne zu naschen. Wie ein Eichhörnchen trennte er Schalen vom Kern und spuckte Ungenießbares auf Armaturenbrett und Fußboden. Unglücklicherweise war jedoch das Fenster einen Spalt breit geöffnet. Vom Fahrtwind erfasst, ergoss sich ein Schalenregen über mich und die hintere Reihe. Ergriffen von diesem rauschenden Lautstärkepegel verkündet Gameboy-Jonas, dass er DJ sei und in Berlin bei einer „3-Tage-wach-Party“ aufgelegt habe. Alina, die der Toffiefeekampf stark gezeichnet hatte, drehte sich zu ihm um und verlangte nach einer Hörprobe. Ein Fehler!
Und da sitze ich nun. Irgendwo auf der A3. In einem weißen Transporter mit Entertainmentprogramm. Denn Jonas hat seine Gameboys nicht umsonst mit dabei. Zwischen Tetres- und Super-Mario-Sounds packt er zur visuellen Unterstützung einen Mini-Beamer aus, über welchen wir zahlreiche seiner Auftritte an der Autodecke miterleben dürfen. Nach einer Viertelstunde haben wir alle das Verlangen, dass Düsseldorf schnell in Sicht kommen möge! Nach einer halben Stunde versuchen wir Jonas klarzumachen, dass wir seine Musik schätzen, uns aber die bisherige Vorführung reichen würde. Nach einer Dreiviertelstunde steht die Stimmung im Auto an der Grenze zur Eskalation. Die Sportis und meine Reihe verlangen eindringlich, dass Jonas die Musik abdrehen soll. Die Rucksackfraktion neben ihm scheint bereits fertig mit der Welt zu sein. Von ihnen ist kein Lebenszeichen mehr zu vernehmen. Gameboy-Jonas scheint dies alles nicht zu stören; ekstatisch bewegt er sich zu den Rhythmen seiner Musik.
Als die rollende Gameboydisco nach einer Stunde Dauerbeschallung endlich auf den Düsseldorfer Parkplatz am HBF rollt, dröhnt es in meinem Kopf. Extension-Alina wirft sich schluchzend in die Arme eines muskelbepackten Sonnenstudiohelden, während ich mit einem Grinsen beobachte, wie der Rest der Besatzung fluchtartig in alle Richtungen davonströmt. Nur einer scheint nicht gehen zu wollen: Jonas packt mit sehnsüchtigem Blick seine Gameboys in den Rucksack, zieht seine Jacke an, bedankt sich für die tolle Fahrt und geht auf einen Mann in Anzug vor einer Mercedesklasse zu. Optisch scheint sein Vater die Leidenschaft für Gameboys wohl nicht zu teilen. Herr Virtis hingegen wartet ungeduldig darauf, dass seine zehn neuen Mitfahrer endlich Platz genommen haben. Diese blicken den vermeintlichen Jerome genauso ungläubig an wie ich am Morgen. Ich versichere ihnen mit einem Lachen, dass Herr Virtis ein ganz toller Fahrer sei und beobachte grinsend, wie der Transporter mit einem Affenzahn vom Parkplatz zurück in Richtung Berlin brettert.
Als ich am selben Abend unter der Dusche stehe und versonnen die Tetresmusik summe, fällt mein Blick auf das Abflussgitter: Ein Fetzen Toffifeepapier und einige Sonnenblumenkerne wirbeln im Wasser umher. Von dieser Fahrt habe ich doch wohl mehr mitgenommen, als ich dachte.
Aus dem Seminar direkt in die Zeitung: Eine Reportage in der Uniklinik RWTH Aachen
Wir freuen uns sehr, dass erneut ein Text unseres Seminars Journalistisches Schreiben veröffentlicht worden ist. Marie Ludwigs Reportage über den Arbeitstag eines Onkologen an der Uniklinik RWTH Aachen erschien vergangene Woche in der Aachener Zeitung / Aachener Nachrichten (magazin). Wer die Ausgabe verpasst hat, kann den Text hier in voller Länge nachlesen:
Von Marie Ludwig
Allmorgendlich strömen zum Schichtwechsel Ärzte, Schwestern und Fachkräfte ins Aachener Uniklinikum. In der Masse: ein Mann mit Mountainbike. Zügig bahnt er sich den Weg durch die geschäftige Menge. Dr. Jens Panse Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie sowie Paliativmedizin und arbeitet seit viereinhalb Jahren im Uniklinikum. Wie sieht ein typischer Arbeitstag eines Onkologen aus? Wir haben ihn begleitet…
7.15 Uhr: Jens Panse erreicht nach dem allmorgendlichen Radfahrsport sein Büro: „So bleibe ich fit!“, bemerkt er, während er sich den Schweiß von der Stirn wischt.
Nach dem ersten Kaffee wirft er sich kurzerhand in den weißen Kittel, um den Weg zur Besprechung der Patientenfälle anzutreten. In einem Dauerlauftempo, das selbst den größten Morgenmuffel letztlich erwachen lassen würde, fegt Jens Panse mit flatterndem Kittel durch die labyrinthartigen Gänge des Klinikums.
Ein kleiner Hörsaal ist das Ziel. Alle Oberärzte, Assistenzärzte, praktizierende Studenten und natürlich Chefarzt Tim Brümmendorf besprechen anhand zahlreicher Computertomographien die Krankheitsbilder der Neuankömmlinge auf der Station.
7.55 Uhr: Nach der Großbesprechung führt Panses Weg zur Station. In einem kleinen Raum voller Spinde mit Schaumstoffblümchen und elf Krankenschwestern wirkt der 1,83 Meter große Jens Panse etwas fehl am Platz. Doch der fachliche Austausch verbindet. An einem großen Tisch wird kräftig diskutiert. Wer hier nicht das Fachvokabular beherrscht, wird wohl wenig verstehen.
Doch selbst für einen Laien wird eines schnell klar: Die Schwestern und Pfleger der Station haben einiges zu leisten. Neben der zu behandelnden Krebsart leiden manche Patienten auch unter psychischen Erkrankungen.
8.30 Uhr: Nach der Besprechung geht es im Stechschritt auf die ambulante Station der Onkologie. „Die Aufzüge benutzen hier meist nur die Patienten“, bemerkt Panse und zwinkert einem Kollegen zu, der mit einem Cityroller durch die grünen Teppichflure fährt. Auf der Ambulanz angekommen, bahnt sich Panse seinen Weg durch den Chemotherapie-Aufenthaltsraum, in dem zahlreiche, weich gepolsterte blaue Sessel stehen. Ein Patient erhält hier beispielsweise alle drei Wochen Therapie, manchmal wird die Chemo einmal pro Woche verabreicht .
10 Uhr: Nach der Visite auf der Ambulanz und im Labor führt der Weg des Oberarztes zu einer weiteren Besprechung. Denn neben der Visite sind auch die Vor- und Nachbereitungen der Chemo wichtig. Insgesamt ist auf der onkologischen Station für etwa 48 Personen Platz. Zwischen warmer Heizungsluft, Atemschutz und Desinfektionsmitteln kann einem schon mal schnell schummrig werden, doch die klinische Sauberkeit ist hier ein Muss. Andernfalls würden die stationären Patienten von der kleinsten bakteriellen Infektion schwer erkranken.
11.20 Uhr: In kleiner Runde – zwei Assistenzärzte, drei auszubildende Studierende und ein Pfleger – geht es nun zur Visite. Denn neben der ärztlichen Untersuchung unterrichtet der Oberarzt die Studenten im Umgang mit den Patienten und stellt ihnen knifflige Fragen zu den Krankheitsbildern.
Bei der Untersuchung jedoch wechselt Jens Panse vom Lehrer zum einfühlsamen Vertrauten. Herzlich begrüßt er seine Patienten, nimmt sich Zeit, beantwortet zahlreiche Fragen und legt auch einmal beruhigend den Arm auf die Schulter. Auf die Frage, warum er sich ausgerechnet die Onkologie ausgesucht habe, wirft er lachend den Kopf in den Nacken: „Die meisten Menschen erwarten auf einer Krebsstation eine düstere, morbide Atmosphäre. Doch damit ist man auf dieser Station gewiss am falschen Platz.“
Bei seiner Frau, die als Kinderärztin arbeite, seien alle, die das erfahren, immer glücklich: „Aber wenn die Leute hören, dass ich Onkologe bin, dann bemitleiden sie mich“, fährt Panse kopfschüttelnd fort. Er hingegen lerne seine Patienten wirklich kennen und sei froh, Onkologe geworden zu sein.
13 Uhr: Nach der Visite geht es zur gefühlt zehnten Besprechung des Tages. Hier sind alle Ärzte der Ambulanz und Station anwesend. Im Anschluss an die einstündige Sitzung führt der Weg im Rudel in die Cafeteria. Mit in der Runde ist auch Chefarzt Tim Brümmendorf. Seit 2009 arbeiten er und sein Stellvertreter Jens Panse am Uniklinikum. Ihre Mission unter anderem: Der Aufbau einer Station für Stammzellentransplantation. Die Entwicklung zu einem onkologischen Spitzenzentrum, dem Euregionalen Comprehensive Cancer Center Aachens (ECCA) schreitet voran.
Bei der Frage, warum er gerade Jens Panse aus seinem früheren Team der Hamburger Klinik mitgenommen habe, beginnt Brümmendorf zu strahlen: „Jens Panse ist aus meiner Sicht ein Vorzeigemitarbeiter. Er erweist große fachliche Kompetenz, er ist herzlich, er ist direkt – ein Seelenverwandter.“
15.30 Uhr: Als nächste Etappe des Tages wartet auf Jens Panse die interdisziplinäre Tumorkonferenz. Neben den Onkologen treffen hier Pathologen, Radiologen und die andere Fachärzte zusammen und diskutieren Patientenfälle. Mit zwei Beamern werden CT-Bilder, mikroskopische Aufnahmen von Stammzellen und die Patientendokumentation an die Wand geworfen. Beim letzten CT-Bild einer Patientin hält Panse plötzlich inne: „Wir sollten herausfinden, was das für Knödel im linken Lungenflügel sind“, bemerkt er und beißt in eine Möhre. Die Sitzung findet im großen Piepergeklingel ein Ende, und die Ärzte strömen in allen Richtungen aus dem Saal.
17 Uhr: Der Weg des Oberarztes führt aus dem Konferenzsaal in Richtung Forschungslabor, um die Analysen durchzugehen. Im Anschluss geht es im Galopp wieder auf die Station, um die Patienten ein weiteres Mal zu besuchen. Letztlich warten zahlreiche Mails darauf, beantwortet zu werden. Denn neben seiner Stellung als Oberarzt hat Jens Panse noch weitere Posten: Stellvertretender Klinikdirektor der Onkologie, Medizinischer Leiter des ECCA und des Labors für Immunphänotypisierung, die Organisation von Projekten wie „Nichtrauchen ist cool Euregio“ sowie die Veranstaltungsreihe „Leben mit Krebs“ für Erkrankte, Angehörige und Interessierte.
Doch neben diesen zahlreichen Ämtern ist Jens Panse auch Familienvater: „Natürlich trägt man einen Teil der Arbeit mit nach Hause.“ Er nimmt die schwarz umrahmte Brille ab und fährt sich über sein kurz rasiertes Haar: „Da gab es einen Fall in meinen Anfangsjahren: ein 32-jähriger Patient, Vater einer einjährigen Tochter, erstickt an einem Lungentumor.“ Panse nickt, ja, das sei sehr berührend gewesen, aber mit der Zeit lerne man, wie man Abstand zum Beruf bekommen kann: „Fahrradfahren und Musik an, dann bin ich direkt raus!“
20 Uhr: Die Sonne ist schon längst untergegangen, als es in der Klinik zum Wechsel zur Nachtschicht merklich ruhiger wird. Jens Panse windet sich aus seinem weißen Kittel und hängt ihn sorgfältig an einem Bügel auf.
Ernsthaft bekundet er, dass es in seinem Beruf nicht nur um Tod und Verderben gehe: „Es werden wirklich viele Menschen vom Krebs geheilt. Das darf man nicht vergessen!“ Das wirklich Schlimme an seinem Beruf sei, dass er sich manchmal eher wie ein Verwalter fühle und nicht mehr wie ein Arzt. „Ich wünsche mir, dass die Klinik den Weg zurück zum Patienten findet und ihn nicht zum Kunden macht.“ Er verlässt das futuristische Uniklinikum mit seinen silbernen Wänden und grünen Teppichböden und meint: „Ich glaube, das Wichtigste ist, mit Herzblut bei der Sache zu sein!“