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RWTH-Schreibzentrum

Archiv für Juni 2020

Corona-Tagebuch

27. Juni 2020 | von

von Tim Seidel

Im Rahmen des Kurses „Texte in Arbeit (Oberseminar)“ sind eine Reihe von Texten zur Corona-Pandemie entstanden, in denen die Studierenden die Möglichkeit hatten, ihre Gedanken zu Papier zu bringen.

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Der Wecker klingelt, 8:00 Uhr.

Ich setze meine glänzende Bialetti auf das gleiche Kochfeld wie jeden Morgen und gehe duschen, während sich der herrliche Kaffeegeruch in der ganzen Wohnung verteilt. Man könnte meinen, es sei ein ganz normaler Montagmorgen. Doch nichts ist momentan normal. Ich klappe meinen Laptop auf und starte die erste Zoomsitzung des Tages, die erste, aber bei weitem nicht die letzte.

Die Dozentin ist überaus nett und gibt sich größte Mühe, den Stoff so gut es geht zu vermitteln. Ihre Kopfhörer sind so groß wie die Ohrenschützer eines Forstarbeiters, damit sieht die zierliche Frau eher aus wie eine Pilotin oder Funkerin im Krieg. Eine komische Analogie, die würde Macron mit Sicherheit gefallen.

Die „Vorlesung“ kommt zum Ende mit den Worten: „Bleiben Sie gesund und Zuhause.“ Zum ersten Mal seit Beginn meines Studiums wäre ich um 8:30 Uhr lieber im Audimax statt Zuhause vor meinem Laptop, mit einem lauwarmen Kaffee in meiner Hand.

Die nächste Sitzung geht zu Ende, wieder wird uns viel Gesundheit gewünscht. Irgendwie beginne ich jedes Mal innerlich „Viel Glück und viel Segen“ zu singen, wenn jemand mir Gesundheit wünscht.

Meine Kontaktlinsen fühlen sich trocken, hart an und dabei ist es erst 15:00 Uhr. Wieder wünschte ich im Audimax oder im Büro zu sein, statt zu telefonieren oder E-Mails zu schreiben. Ich wundere mich über mich selbst.

Wie oft ist ein Vorlesungsbesuch daran gescheitert, dass mir der Weg zu weit war oder ich beim Frühstücken so sehr getrödelt habe, dass es sich meine Ansicht nach nicht mehr gelohnt hat und wie oft habe ich mir gewünscht, mich einfach kurz in die Vorlesung oder ins Büro beamen zu können? Der Wunsch ist jetzt in Erfüllung gegangen und dennoch wünschte ich, es wäre alles wieder wie früher.

Wie kommt es, dass man immer das haben will, was man nicht haben kann, statt sich zu freuen über das, was man hat? Eine Frage, auf die ich noch keine Antwort weiß, aber zum Glück habe ich momentan genug Zeit, eine zu finden.

 

Corona-Tagebuch

19. Juni 2020 | von

von Johanna Demory

Im Rahmen des Kurses „Texte in Arbeit (Oberseminar)“ sind eine Reihe von Texten zur Corona-Pandemie entstanden, in denen die Studierenden die Möglichkeit hatten, ihre Gedanken zu Papier zu bringen.

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Corona – ein Mantra in aller Munde, und seinen Alltag kann man vergessen

Ziemlich viele Gedanken, die sich um dieses Virus gemacht werden. Zu Recht! Es ist gefährlich. Es breitet sich rasend schnell aus. Es gefährdet Menschen, und zwar jeden. Man sieht es nur nicht. Oder doch? Über die Schreckensbilder aus dem griechischen Flüchtlingslager scrollt man schnell hinweg, in Gedanken schiebt man sie einfach zur Seite – man ist ja nicht in Griechenland. Und dann sieht man das Virus wieder nicht. Man spürt es auch nicht, wenn man es selbst noch nicht hatte, und keinen Angehörigen hat, der daran erkrankt ist. Und trotzdem hat sich alles verändert. Einkaufen – oder auch eben nicht einkaufen, wenn es um nichts Lebenswichtiges geht – ist anders. Es ist leerer, kein Gedränge mehr. Es fühlt sich anders an. Die Hände, zum Beispiel, fühlen sich schneller klebrig und dreckig an. Waschbedürftig. Einkaufen riecht anders. Nach Desinfektionsmittel? Geht so. Nicht in jedem Laden wird der Haltegriff des Einkaufwagens, nach Benutzung, mit der antibakteriellen Substanz eingenebelt. Nicht jeder benutzt die angeketteten Fläschchen, die in den Eingängen der Läden bereitstehen. Angekettet deshalb, weil sie sonst jemand mit nach Hause nehmen würde. Zur Sicherheit, und auf Vorrat natürlich. Auch Mundschutzmasken-Klau ist eine anerkannte Sportart geworden.

Irgendwie ist die Corona-Krise überall angekommen, irgendwie aber auch nicht. Wo ist sie angekommen, und wo nicht? Wenn eins feststeht, dann das: Sie ist in den Medien angekommen. Die Medien sind aus der Krise überhaupt nicht wegzudenken. Das Wort Corona steht überall geschrieben. Covid-19 wäre zu kompliziert, das benutzen nur die Virologen. Es muss einleuchtend sein, schnell lesbar, ohne Zahlen. Corona, Corona, Corona … Wie ein Mantra in aller Munde. Sätze wie: „Das darf ja jetzt nicht mehr …“, oder: „Okay, im Moment nicht, wegen Corona …“, sind zum gewohnten Anhängsel eines jeden Gesprächs geworden. In den Gedanken hat sich Corona etabliert, egal, ob man zu Hause vor dem Bildschirm sitzt, eben schnell zur Post möchte, oder beim Spaziergang versucht, eine Corona-freie Liegewiese zu finden. Die Maßnahmen sind klar, die meisten halten sich daran. Einfache Regeln. Aber da ist noch ein Rest-Zweifel in uns. Etwas bleibt jedes Mal übrig. Ungeklärte Fragen, wie lange das alles noch so weitergeht. Und vor allem, wie es danach weiter geht. Ist es irgendwann vorbei? Wird es nie vorbei sein? Manche sagen das Eine, die Nächsten behaupten das Andere. Und dann fühlt man sich unsicher. Unfähig, den Alltag wieder aufzunehmen. Er fällt ganz anders aus, unproduktiver, mit weniger Bewegung. Und man wartet nur darauf, die alten Routinen von vorher wieder aufnehmen zu können, die spannender waren, und mit mehr Bewegung darin. Und dieses Warten bedeutet: Wir sind noch nicht angekommen in der Krise. Denn auf etwas zu warten, ist oft der falsche Weg, um in etwas anzukommen, was man ernst nehmen sollte. Aber was sollen wir tun? Wir können nicht anders.

 

Corona-Tagebuch

09. Juni 2020 | von

von Matthias Cherek

Im Rahmen des Kurses „Texte in Arbeit (Oberseminar)“ sind eine Reihe von Texten zur Corona-Pandemie entstanden, in denen die Studierenden die Möglichkeit hatten, ihre Gedanken zu Papier zu bringen.

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Ich verliere langsam den Überblick. Kontaktsperre ab drei Personen, außer Kernfamilie – was auch immer das bedeutet – Geschäfte öffnen ab wieviel hundert Quadratmetern? Außer Buchhandlungen und Autohäusern – interessant – und tausend Regeln mehr. Wo soll ich nochmal eine Maske tragen? Überlebt das Virus auf Oberflächen? Reichen zwei Meter Abstand beim Joggen? Ich habe da von einer Studie gehört, die besagt, dass während der Corona-Pandemie viel mehr Leute über Studien reden. Hat die denn ein Peer-Review? Ich weiß immer über die neuesten Entwicklungen Bescheid: In New York werden Massengräber angelegt, der Iran lügt, China vielleicht auch, Südkorea hat alles toll gemacht. Bescheid – achja, ums Bafög muss ich mich noch kümmern. Wird meine Regelstudienzeit verlängert? Schnell mal googlen, dann weiß ich … Bescheid. Die neueste Ausgabe von Vox Machina Origins wird wegen Corona nicht veröffentlich. Ich soll mich wegen der andauernden Krise in Geduld üben, ein neues Veröffentlichunsdatum wird bald bekannt gegeben. Warum wird denn die Veröffentlichung von einem digitalen Comic verschoben? Ich mache mir jetzt Waffeln. Schnell schauen, ob alles da ist – Milch, Zucker, Eier, Meh… – Ich bestelle mir jetzt Pizza.

Na toll, jetzt habe ich eine Woche nicht an meinem Corona-Tagebuch gearbeitet und schon ist alles veraltet.