Brüder und Schwestern
Pfannkuchen, Nudeln, Torten oder einfach als schlichtes Spiegelei. In unheimlich vielen Lebensmittelprodukten sind Eier verarbeitet. Doch woher kommen diese Eier eigentlich? Und was passiert mit den männlichen Kücken, die keine Eier legen können? Steckt vielleicht doch mehr hinter dem so oft als „Hippstergehabe“ verpöhntem veganen Lebensstil? Constanze Schreck hat in unserem Oberseminar: Texte in Arbeit diese gesellschaftskritische Debatte einmal aufgegriffen. Sie erzählt von:
Brüder und Schwestern
„Will er dann auch mit meinen Sachen spielen, wenn er da ist?“, fragt Pia, die auf der Rückbank sitzt, während sie an ihrem Apfel nagt.
„Das sehen wir alles, wenn er bei uns ist, mein Schatz. Du kannst ihm dann zeigen, was du schon kannst. Aber zuerst hast du ab nächster Woche Sommerferien und da fahren wir zu Oma auf die Insel.“
Sie scheint, mit dieser Antwort zufrieden zu sein. Wir sind da. Pias Lieblingserzieherin Katja begrüßt uns mit einem herzlichen Lächeln auf dem Flur der Kita. Auch ich habe sie sehr gerne. Sie hat uns in schweren Zeiten schon viel geholfen.
„Guten Morgen ihr Zwei. Alles gut bei Euch?“
Ich nicke zögerlich und blicke ihr in die Augen.
„Gibt es Probleme?“, fragt sie und zeigt besorgt auf meinen Bauch.
„Nein, nein! Das nicht. Es ist nur… Pia, geh doch schon rein. Ich hole dich nach der Arbeit ab!“
Ich nehme sie in die Arme, drücke ihr einen Kuss auf die Stirn und sehe ihr noch kurz nach, wie sie zur Tür ihrer Gruppe reingeht. Ihre grün-gelben Gummistiefel sind ihr eigentlich schon viel zu klein. Aber für neue reicht das Geld zurzeit nicht.
„Ich weiß nicht, wie ich es noch länger auf der Arbeit aushalten soll. Es wird immer anstrengender, aber ich kann es ihnen nicht sagen. Sonst bin ich raus.“
„Irgendwann musst du es aber tun, Linda. Die Fabrik ist kein Ort für eine Frau, die ein Kind erwartet.“
„Du hast ja Recht, Katja. Wir werden sehen. Bisher geht es noch.“
„Wirst schon wissen, was du tust“, sagt sie achselzuckend.
„Bis später!“ Nachdenklich gehe zu meinem Wagen und fahre weiter.
Angekommen auf dem riesigen Parkplatz stelle ich fest, dass ich schon vor zehn Minuten hätte da sein müssen. Während der gesamten Fahrt war ich mit meinen Gedanken woanders. Ich krame meine Handtasche aus dem Kofferraum und gehe eilig zum großen Eingangstor. Der Mann an der Pforte muss neu sein, zumindest habe ich ihn hier noch nie gesehen. Er wirft einen kurzen Blick auf meine Karte und nickt, bevor er sich wieder seiner Bild-Zeitung zuwendet. Nach dem Umziehen schließe ich meine Tasche im Spind ein.
„Nicht nachdenken, Linda“, sagt eine Stimme in meinem Kopf.
Durchatmen.
Gedankenlos steuere ich auf die erste Schleuse zu. Duschen, desinfizieren. Die zweite Schleuse. Duschen, desinfizieren. Helge sieht mich und kommt auf mich zu.
„Moin, Lisa. Du bist spät. Du bist heute in Halle 4.“
Die dritte Schleuse. Duschen, desinfizieren. Dann stehe ich in Halle 4. Das Rattern der Fließbänder kann ich mittlerweile ganz gut ausblenden.
Ich schaue mich um, und eine grauhaarige Frau zeigt mir mit einer Kopfbewegung, wo heute mein Platz ist. Direkt neben ihr. Ich habe ihren Namen vergessen. Ich bin selten in dieser Halle. Zum Glück!
„Wie war das nochmal?“, frage ich sie.
„Die Guten nach links, die Schlechten nach rechts.“ Die Schlechten? Mir wird kurz übel bei diesem Gedanken. Ich lege meine Hand auf den Bauch und schließe die Augen. Nur für einen kurzen Moment. Hoffentlich hat es niemand gesehen.
„Kann‘s losgehen?“, brüllt Helge von oben. Wir nicken. Dann geht es los. Schweigend stehen wir nebeneinander und machen unsere Arbeit. Was anderes ist es nicht. Nicht mehr und nicht weniger. Zumindest dann nicht, wenn es mir gelingt, an etwas anderes zu denken. In Gedanken richte ich das Zimmer meines ungeborenen Sohnes ein.
Am Anfang fiel es mir schwer, mit einem Blick zu erkennen, ob das, was ich in der Hand halte, nach links oder nach rechts geworfen werden muss. Außerdem habe ich mich zunächst geweigert, sie zu werfen.
„Anders geht es aber nicht“, meinte Helge damals kopfschüttelnd, „sonst dauert es viel zu lange. Das können wir uns nicht leisten.“
Als ich zum ersten Mal durch die Hallen geführt wurde, blieb ich in Halle 5 wie angewurzelt stehen, als ich sah, was mit denen passiert, die sie die ‘Schlechten‘ nennen. Sie werden von riesigen rotierenden Messern geschreddert. Dann werden sie mit Schaufeln wie Schnee auf einen Haufen geschoben und in Müllcontainer verladen. Das war meine Aufgabe am ersten Tag. Von diesem Moment an, habe ich nie wieder ein Ei geschweige denn Fleisch gegessen. „Einer muss es ja machen“, heißt es hier immer. Und in der Mittagspause essen sie wie immer ihre Brathähnchen und Spiegeleier in der Kantine.
Wie in Trance ziehen acht Stunden und das Fließband an mir vorüber. Meine Füße schmerzen. Keine Ahnung wie viele Wochen ich noch durchhalten kann. An der frischen Luft geht es schon wieder besser und ich werde zum ersten Mal an diesem Tag hungrig.
In der Kita kommt Pia direkt auf mich zu gerannt, als ich zur Tür reinkomme.
„Mama, Mama! Heute Mittag haben wir Pfannkuchen gegessen. Ich liebe Pfannkuchen! Die haben aber ganz anders geschmeckt als zu Hause.“
Ich lege meine Stirn in Falten und ziehe meine Augenbrauen hoch. Katja, die direkt neben uns steht, sieht mich überrascht an.
„Was ist los, Linda?“
„Katja, du weißt zwar wo ich arbeite, aber ich denke, dir ist nicht klar, was wir dort tun.“
Verwirrt schüttelt Katja den Kopf.
„Pia, holst du bitte deinen Rucksack?“
Sie verschwindet.
„Jeden Tag, werden in der Fabrik neunzigtausend weibliche Küken über Fließbänder in große Kisten verfrachtet und ‘versandfertig‘ gemacht. Ihre neunzigtausend Brüder werden gehäckselt. Nur wenige Stunden nach dem Schlüpfen. Für sie gibt es keine Verwendung. Ich will nicht, dass das für mich getan wird. Zu Hause essen wir keine Eier und kein Fleisch. Nicht mehr, seitdem ich das gesehen habe.“
Katja stutzt und sieht mich mit großen Augen an.
„Das… das wusste ich nicht. Aber Kinder brauchen das doch. Zum Wachsen!“
„Du siehst ja, dass es auch anders geht.“
Pia kommt zurück und hält mir ihren blauen Schmetterlings-Rucksack entgegen. Ich klemme ihn mir unter den Arm, nehme Pias Hand, und wir verabschieden uns.
Und Katjas Blicke folgen uns bis sich die Tür hinter uns schließt.
Reimen und gefressen werden
Rechtzeitig zu den Sommersemesterferein haben wir genau das richtige für Euch: ein Gedicht! Gedichte sind langweilig?! Dass das definitiv nicht stimmt, hat Claudia Schumacher in unserem Oberseminar: Texte in Arbeit unter Beweis gestellt. Bei unser diessemestrigen Exkursion in die Künstlerhochburg Hodiamont, hat sie unseren Kurs direkt begeistert: Denn ihr Gedicht lebt von einem glitzernden Zauber, szenischem Erzählen und pointierter Kürze.
Lasst euch Flügel wachsen und startet mit uns einen mentalen Ausflug ans Meer:
Maritime Vogelkunde
Lichter vergehen im Sand
die Amsel krächzt
und zieht ihre Kreise
angespült glitzernder Tand
zerpflückt von einer Meise
Funkeln zieht auch die Elster an
größer ist dieser Vogel
doch nicht so groß wie die Möwe
und die verteidigt ihr Rudel
schnappt, beißt, vertreibt
die kleineren Stürmer
Ist schließlich wieder allein
nur ihresgleichen geduldet
jetzt hat wieder sie den Tand
und den Sand, ja den ganzen Strand
und so manchen fressen die Würmer.
P.S.: Wer schon einmal ins nächste Semester vom ZKS schnuppern möchte, kann dies ab sofort auf unser Webseite tun. Wir waren fleißig 🙂
Fragen an: Bernd Büttgens, Pressesprecher der Stadt Aachen
Die erste Veranstaltung unserer hauseigenen Reihe „Fragen an…“ war ein voller Erfolg. Bernd Büttgens hat uns am 21. Mai in der BIB II erzählt, wie die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Aachen funktioniert. Es wurde aus dem Nähkästchen geplaudert, aber auch der Beruf im Bereich PR kritisch hinterfragt.
Was haben wir mitgenommen?
1. Journalistische Kenntnisse sind für jeden guten PRler eine wichtige Sache!
2. Wer gerne mit Menschen arbeitet und einen vielseitigen Beruf haben möchte, ist im PR Bereich genau richtig.
3. Ein guter Pressesprecher schafft es Themen so interessant zu verkaufen, dass sie auch in die Zeitung kommen.
4. Das Wichtigste ist: immer bei der Wahrheit bleiben (…und zur Not einfach nicht alles erzählen 😉 ).
Im nächsten Semester haben wir wieder einen neuen Experten für euch eingeladen. Mehr dazu gibt`s bald.
Regenzeit – ZKS Story
Draußen regnet’s und ihr habt Lust auf Pizza? Da haben wir jetzt genau das Richtige für euch: eine Kurzgeschichte aus unserem Oberseminar: Texte in Arbeit.
Christine Hendriks versteht wie man unsere Gesellschaft durch eine scheinbar subtile Alltagssituation kritisieren kann. Taucht ein in die Zukunft mit quadratischer Paprikapizza und gefährlichem Regen und/oder gefährlichem Reden…
Regenzeit
Fira ist mit ihrer Mutter in der Innenstadt unterwegs. Es ist warm und regnet in Strömen wie jedes Jahr an Weihnachten. Graue Rinnsale umspülen ihre Gummistiefel.
Gut, dass ich dein Kleid eben noch imprägniert habe. Firas Mutter hat es eilig.
Mama, ich hab Hunger. Keine Antwort. Fira versucht mit den großen Schritten mitzuhalten. Eine Windböe weht ihr beinahe den Regenhut vom Kopf.
Seufz. Ihre Mutter bleibt stehen, drückt ihr den Hut fest auf den Kopf und macht den Gummizug einhändig fest. Der Regen ist ungesund.
Ich weiß. Mama, ich hab HUNGER!
Quälgeist.
Fira lacht zufrieden. Sie lassen sich zu einer kleinen Pizzeria führen. Es ist voll und der Boden bedeckt mit Pfützen. An der Theke sind noch drei Hocker frei. Fira betrachtet die Abbildungen und sucht sich eine Pizza mit Paprika aus. Die hatte ihre Oma früher immer gebacken, mit roten Paprika von ihrem Balkon. Leider war sie vor zwei Jahren bei einem Unwetter gestorben und den Balkon gab es auch nicht mehr. Fira bestätigt ihre Wahl. Vielen Dank für ihre Bestellung. Noch 15 Minuten bis zum Servieren.
Kind, du musst was trinken.
Fira nickt und schlürft die Cola durch einen dicken Strohhalm. Dabei zeigt sie ihrer Mutter die Ergebnisse vom letzten Test in Rechtschreibung.
Fast kein Fehler, sehr schön. Daumen hoch.
Fira freut sich.
Noch 10 Minuten bis zum Servieren. Sie schaut aus dem Fenster auf die Straße. Die Wassermassen sammeln sich in einer Rinne in der Mitte der Straße und fließen von da aus in den großen Kanalschacht. Menschen laufen mit gelben Plastikrucksäcken am Fenster vorbei. Es kribbelt in Firas Händen.
Schau mal. Ein alter Mann steht in der Tür der Pizzeria. Er trägt ein unförmiges Regencape und schüttelt einen Stock mit einer Halbkugel aus Stoff, sodass Regentropfen in alle Richtungen spritzen. Die Leute rümpfen die Nase und drehen sich weg. Er faltet das Ding zusammen und lässt seine glänzenden Augen über die Tische gleiten. Schließlich fällt sein Blick auf den letzten freien Hocker neben Fira. Er lächelt und setzt sich.
Mama, ich hab Angst.
Das ist nur ein Stummer. Und vor dem Schirm brauchst du keine Angst zu haben. Fira betrachtet ihn aus dem Augenwinkel, während er den Plastikumhang ablegt. Darunter kommen oben ein weißes Shirt mit hohem Kragen mit zwei spitzen Ecken und unten eine grobe blaue Hose zum Vorschein. Das sieht komisch aus.
Mama, er imprägniert nicht. Warum?
Er ist zurückgeblieben.
Noch 5 Minuten bis zum Servieren. Fira spürt das Grummeln in ihrem Bauch, aber der alte Mann hat ihre Neugier geweckt. Sie will ihn kontaktieren. − Er hat keine Nummer! Ihr Blick fällt auf seine leeren Hände und Fira zuckt zusammen. Er ist wirklich stumm. Der Mann schaut die Bedienung an und macht merkwürdige Gesten. Fira versteht nicht, was er meint, aber die Frau scheint ihn zu kennen. Sie stellt ihm mit der rechten Hand einen großen Bierkrug hin. Er nimmt ihn in beide Hände und hebt ihn direkt an den Mund. Igitt. Fira schüttelt sich. Kann er denn nicht das Trinkrohr benutzen? Sie schlürft an ihrer Cola.
Hier ist deine Pizza. Die Bedienung balanciert einen Teller vor sie hin. Darauf ist die viereckige Paprikapizza, in handliche Quadrate geschnitten. Fira entkoppelt ihre rechte Hand vom Sel-phone, nimmt sich ein Stück und beginnt zu essen.
„Guten Appetit, Kleine.“ Fira schielt zu dem alten Mann hoch, als sie die merkwürdigen Laute hört. Seine Augen schauen sie aus tiefen Höhlen an und er bewegt die Lippen.
Mama, ich mag keine Stummen.
Er tut dir nichts. Lass es dir schmecken.
Acht
Vor was haben wir eigentlich heute noch Angst? Krankheit, Einsamkeit oder doch der guten alten Spinne? Beate Böker hat in unserem Seminar: Texte in Arbeit eine ergreifende Kurzgeschichte geschrieben. Irgendwo zwischen Fiktion und Zukunft. Los geht`s in Zehn, Neun:
Acht
Nur noch eine Viertelstunde bis Feierabend. Dann einkaufen, kochen und den Rest des Abends gemeinsam fernsehen. Wir sind froh, wenn wir hier raus kommen.
Im Büro ist alles wie üblich. Die Kollegen schauen unauffällig hinüber, doch sobald ich ihre gaffenden Blicke erwidert möchte, sehen sie weg und tun so, als seien sie beschäftigt. Doch ich weiß, dass sie mich anstarren. Ich spüre ihre Blicke wieder, sobald ich nicht mehr hinsehe. Sie lassen mich nicht aus den Augen. Wahrscheinlich raten ihnen ihre Instinkte, mich gleich an Ort und Stelle zu beseitigen, wie sie es üblicherweise tun würden, wenn sie mir in ihren Kellern oder Garagen begegnen.
Jasmins Finger tanzen unter mir über die Tastatur. Sie ignoriert die Blicke; wahrscheinlich bemerkt sie die Gaffer gar nicht mehr. Menschen sind immerhin Gewohnheitstiere, so viel habe ich schon herausgefunden. Ich hingegen bin mir nicht sicher, ob ich mich jemals daran gewöhnen werde. Ich bin schließlich eine Spinne.
Bei einem Verkehrsunfall wurde ein großer Teil von Jasmins Gehirn zerstört. Dank einer neuartigen Behandlungsmethode hat sie überlebt: Mein Körper sitzt in Jasmins Schädel und ersetzt die fehlenden Teile ihres Hirns. Die Folgen sind für uns beide akzeptabel. Wenn Jasmin schläft, sehe ich, was sie träumt. Eigenartigerweise kann ich ihre Gedanken nicht lesen, wenn sie wach ist – sie aber dafür meine. Das ist praktisch, weil sie dadurch direkt weiß, wenn ich hungrig bin.
Meine haarigen Beine hängen rechts und links an ihrem Kopf herunter. Über ihrer Stirn, dort wo einst der Haaransatz war, sitzen jetzt meine Beißer und direkt darüber meine acht Augen. Alles was Jasmin sieht, sehe ich also auch.
Jasmin fährt danach endlich den Rechner runter und packt ihre Sachen. Wir verlassen das Büro. Ich kann eine Welle der Erleichterung hinter uns spüren, ein Aufatmen, als seien die Kollegen froh, dass wir endlich weg sind.
Auf dem Korridor stehen einige Leute vor dem Aufzug. Als sie uns kommen sehen, entschließen sie sich plötzlich alle gleichzeitig dazu, die Treppe zu nehmen. Sie grüßen Jasmin zwar höflich im Vorbeigehen, doch ihre Körperhaltung und ihr gezwungenes Vermeiden von Blickkontakt erinnern an Flucht.
Während wir zu seichtem Aufzug-Swing nach unten fahren, mache ich mir Gedanken, wie Jasmin es wohl empfindet, von allen gemieden zu werden. Es hat lange gedauert, aber irgendwann habe ich begriffen, dass Menschen Rudeltiere sind und Gesellschaft mit ihresgleichen suchen.
Ruiniere ich ihr Leben, weil sie meinetwegen keinen Anschluss findet? Oder ruiniert sie meines, weil man mich, um sie zu retten, aus dem Dschungel Sumatras entführt und auf einen Menschenkopf in Deutschland verpflanzt hat? Ich könnte im Urwald das gewöhnliche Leben einer Spinne leben, aber auch mir bleibt die Möglichkeit ein normales Leben zu führen für immer versagt.
„Zerbrich dir nicht unseren Kopf!“, sagt Jasmin und schiebt mir einen Keks zwischen die Beißer, wie immer, wenn ich solchen Gedanken nachgehe.
Ich mag Kekse. Aber sie lösen das Problem nicht. Nicht auf Dauer.
Solidarisches Saisongemüse
Als Student hat man meist keinen eigenen Garten, in dem man sich sein Gemüse anbauen kann: Aber es gibt auch Alternativen!!! Eine davon hat Beate Böker im Rahmen von unserem Kurs „Journalistisches Schreiben“ recherchiert und es sogar in die Märzausgabe vom Klenkes geschafft! Schaut doch mal rein…
ZKS Story – Das Wellengrab

Ein Haus am Meer, eine Frau, ein Mann – es könnte so schön sein. Doch ein Sturm tost über dem Meer.
Janina Gerlach aus unserem Oberseminar: Texte in Arbeit erzählt uns in ihrer Kurzgeschichte von Sarah und Tom.
Das Wellengrab
von Janina Gerlach
Noch vor einem Jahr verbrachten wir die Ferien in unserem Haus am Meer und schafften es, dem immer schneller laufenden Alltag für ein paar Tage zu entkommen. Laut prustend rollten wir uns auf dem Boden, und unser Gelächter erfüllte den ganzen Raum. Jeden sonnigen Tag verbrachten wir mit der Familie am Meer, tobten ausgelassen zwischen den Wellen und ließen uns anschließend in den warmen Sand fallen. Die Luft duftete nach frischaufgetragener Sonnencreme und geschmolzenem Erdbeereis.
Heute ist alles anders.
Tom und ich sitzen am Strand und schauen auf das graue Meer hinaus, wo die Wellen versuchen, sich an Höhe zu übertreffen. Donnernd kommen sie auf uns zugerollt und türmen sich auf, bis sie schließlich zerbersten und wieder in der blauen Masse untergehen. Dicke Regentropfen fallen von oben auf uns herab, doch wir rühren uns nicht. Ich schmiege mich enger an Tom und betrachte ihn von der Seite. Der Wind zerrt unaufhörlich an seinen kastanienfarbenen Haaren und weht ihm einige Strähnen ins Gesicht. Als er diese zurückstreicht und hinter sein Ohr klemmt, fällt mir auf, wie tief die Falten auf seiner Stirn geworden sind. Seit letztem Sommer ist nur ein Jahr vergangen, doch die ewige Angst hat ihre Spuren hinterlassen und lässt ihn älter wirken.
Vorsichtig lege ich meine Hand auf seine und spüre, wie kalt sie ist. Eine Möwe dreht über uns ihre Kreise, als Tom den Kopf dreht und mich ansieht. Für einen Moment verliere ich mich in den Tiefen seiner eisblauen Augen, dann verfolge ich die silbrig schimmernde Träne, die sich ihren Weg über seine Wange bahnt, dort einen kleinen Moment verweilt und schließlich in den Sand hinabstürzt. Dort versickert sie wie bereits so viele Tränen zuvor. Zu viele.
Als die dunklen Wolken am Himmel zu Bergen heranwachsen und der erste Blitz die Luft elektrisiert, wissen wir, dass es Zeit ist zu gehen. In stillem Einvernehmen stehen wir auf und stapfen Richtung Promenade. Zurück bleiben nur unsere Fußabdrücke im nassen Sand.
In der Nacht wälze ich mich im Bett umher, denn ich kann nicht schlafen. Ich drehe mich auf den Bauch und sehe durch das große Fenster nach draußen, wo der Wind dunkle Wolkenfetzen über den Himmel jagt; nur ab und zu blitzt der Mond durch die grauen Mauern. Für einen kleinen Moment erhellen seine Strahlen das Zimmer und ich kann erkennen, dass Tom ebenfalls wach liegt und mich anstarrt. „Sarah?“
Seine Bettdecke raschelt, als er sich auf die Seite dreht und flüstert: „Ich will nicht gehen.“
„Ich weiß.“
Am nächsten Morgen ist er tot.
Dicke Tränen laufen über mein Gesicht, als ich das Haus verlasse und die Tür zuknalle. Ich habe gewusst, dass es eines Tage dazu kommen wird und doch will ich es nicht wahrhaben. Als ich den Strand erreiche, reiße ich mir die Schuhe von den Füßen und schleudere sie ins Meer. Ich bin für einen Moment ganz ruhig und schaue zum schwarzen Himmel empor, während der Wind mir Regentropfen ins Gesicht peitscht. Dann renne ich. Renne so schnell ich kann. Renne immer weiter. Renne, um zu vergessen.
Als ich endlich anhalte, steht mir das Wasser bis zum Hals. Es ist eiskalt und schnürt mir die Kehle zu. Ich nehme einen letzten hastigen Atemzug, dann geben meine Beine nach und ich gehe in die Knie. Sofort schließt sich die Wasserdecke über meinem Kopf und das wütende Meer zieht mich nach unten, wirft mich umher, bis ich das Gefühl für oben und unten verloren habe. Mein Körper ist kraftlos und schmerzt, doch die Wunden in meinem Inneren sind größer. Welchen Sinn soll das Leben ohne Tom noch haben?
Ich beschließe: keinen.
Als mein Atemreflex einsetzt, reiße ich den Mund auf und meine Lungen füllen sich mit Wasser. Wie ätzende Säure bahnt es sich den Weg in mein Inneres. Mein Herz rast, doch ich rühre mich nicht; lasse mich von der tosenden See davontragen, bis mir schwarz vor Augen wird und ich nichts mehr spüre.
ZKS Story – Tanz mit dem Tod
„Der Tanz ist schnell, zu schnell, aber selbst wenn man will, kann man nicht aufhören zu tanzen“. Katharina Schäfer aus dem Oberseminar: Texte in Arbeit erzählt in ihrer Kurzgeschichte vom Knochenmann. Kann es bei dem Tanz einen Sieger geben? Viel Spaß beim Schmökern!
Tanz mit dem Tod
von Katharina Schäfer
Er sitzt an einem alten, mit Farben übersäten Tisch. Schwach scheinen die letzten Sonnenstrahlen in den Raum. Bald schon wird es dunkel werden, doch das stört ihn nicht. In seiner Hand hält er einen abgenutzten alten Stift, der schon so oft benutzt worden ist, dass man ihn kaum als solchen erkennen kann. Vor ihm liegt eine große, noch unberührte Leinwand, die im Schein des Lichtes strahlend weiß erscheint. Unter einem Haufen Stifte, Pinsel, Farben und anderer Utensilien kann man den Umschlag eines Skizzenblockes erkennen.
Er hätte den Skizzenblock aufschlagen können. Doch macht es für ihn keinen Sinn, da alle Seiten denselben Inhalt haben. Schemenhafte Figuren, die in dunklen Farben gehalten sind.
Dunkle Schatten, meist ohne Gesicht, ohne Haare und ohne Geschlecht. Schaut man sich diese Figuren länger an, entdeckt man, dass die feinen Striche feste Konturen zeichnen, die unüblich für die weiche Haut der Menschen sind. Es sind Knochen, die hervorgehoben werden. Der schemenhafte Tod, der dem Betrachter auf jeder Seite entgegenspringt. Auf der ersten Seite in einer schwarzen Uniform oder vielleicht auch in einer grünen. Im Hintergrund kann man Unmengen an Waffen erkennen. Große Waffen, die auffällig und schwer das Bild füllen. Aber auch kleine Waffen, versteckt und nur bei genauer Betrachtung sichtbar. In der Mitte gibt es nur ein Bild, das anders ist als die anderen. Der Knochenmann, wieder in einem dunklen Anzug, diesmal jedoch mit etwas, das so aussieht wie eine Krawatte. Die Arme hat er ausgestreckt und hält eine zweite Figur darin, die weicher ist und lange, helle Haare hat. Weiblich sieht sie aus, diese Figur. Obwohl auch sie kein Gesicht besitzt. Der Betrachter könnte annehmen, es sei die Umarmung Liebender oder ein langsamer Tanz.
Der Künstler seufzt, während er nun doch das Skizzenbuch zur Hand nimmt. Es aus den Klauen von Farbe und Unordnung befreit. So viele Bilder. So viele Albträume. So vieles an Elend in der Welt und alles sammelt sich in seinem Kopf. Alles zeigt sich immer wieder in derselben undeutlichen und doch mächtigen Gestalt. Er träumt oft denselben Traum. Darin tanzt er in inniger Umarmung mit dem Knochenmann. Die Melodie ist süß, fast so süß wie der Kuss einer Frau. Der Tanz ist schnell, zu schnell, aber selbst wenn man will, kann man nicht aufhören zu tanzen. Der Tod lässt niemanden gehen, auch ihn nicht. Der Künstler weiß, was das Ende eines solchen Tanzes bedeutet.
Erneut füllt ein Seufzer den Raum. Schwerfällig erhebt sich der alte Mann und geht zum Fenster. Dort zündet er sich eine Pfeife an und nimmt einen gedankenverlorenen Zug. Mittlerweile ist es dunkel geworden. Von seinem großen, prächtigen Garten sind nur noch düstere Schatten zu sehen. Jetzt kann er mit dem Malen beginnen.
Er weiß, dass seine Frau bald nach ihm sehen und ihn bitten wird, mit ihr ins Bett zu kommen. Doch wird er an seinem Tisch sitzen bleiben, bis er das Gefühl hat, dass er nun malen kann. Er will nicht schlafen, solange ihn der Tod in seinen Träumen heimsucht. Nein, das ist es nicht wert. Mit einem plötzlichen Ruck wendet er sich vom Fenster ab, macht ein Licht an und setzt sich wieder. Es ist an der Zeit, den Tod im Tanz zu besiegen.
Die 2. Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten
Das Semesterende rückt immer näher – das heißt, die Haus- und Abschlussarbeiten wollen bald abgegeben werden. Aber: Die Gliederung steht noch nicht, die Literaturrecherche stockt und die richtigen Worte wollen so gar nicht kommen. Was also tun? Küche putzen? Mails checken? Abgabefrist verlängern? – Oder packt doch lieber mit Gleichgesinnten den Stier bei den Hörnern! Schnappt euch eure unfertige Hausarbeit und euren Laptop und kommt am 10. Februar zur Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten.
Dort unterstützen wir euch dabei, Schreibprojekte in Angriff zu nehmen oder Angefangenes weiterzuführen: Nach einem gemeinsamen Warm-Up beginnt das Schreiben. Für individuelle Fragen stehen euch Ansprechpartner von Universitätsbibliothek, Sprachenzentrum und ZKS zur Verfügung. Außerdem könnt ihr euch in Mini-Workshops über wissenschaftliches Schreiben, English Writing und Textüberarbeitung informieren. Bei rauchenden Köpfen versorgt euch der AStA mit Kaffee, Tee und Wasser. Kekse und Obst geben neue Energie und beim Pausenexpress des Hochschulsportzentrums könnt ihr Muskeln und Gedanken lockern.
Und danach? Wieder zurück an den einsamen Schreibtisch? Keine Angst, auch nach der Langen Nacht helfen wir euch bei den angefangenen Schreibprojekten: Im Rahmen des RWTH-Lektorats bietet euch das ZKS in den folgenden drei Wochen individuelle Schreibberatung in der Universitätsbibliothek.
Eine Anmeldung zur Langen Nacht ist nicht nötig, kommt einfach um 19 Uhr vorbei und sichert euch euren Platz.
In diesem Sinne: Gute Nacht!
ZKS Story – Etwas Glänzendes
Eine Wette, ein Schatz, Ungeheuer – unsere neueste Kurzgeschichte hat alles was ein spannendes Abenteuer braucht. Lukas Cremer aus unserem Oberseminar: Texte in Arbeit erzählt euch packend von Olafs Mutprobe in einem Bergwerk. Nichts für schwache Nerven!
Etwas Glänzendes
von Lukas Cremer
Olaf umklammerte die Fackel fester und jagte durch die Stollen. Das hier war niemals so geplant gewesen. Und dafür war er nie ausgebildet worden. Er hatte doch immer nur einen ruhigen Job gewollt. Er verfluchte sich insgeheim dafür, immer den Mund zu voll zu nehmen. Und er verfluchte sich noch mehr dafür, gewagte Wetten einzugehen.
In ein stillgelegtes Bergwerk einzubrechen, war schon dumm. Aber Pieter hatte angeblich in einem tieferen Stollen etwas Glänzendes gefunden. Er hatte Olaf erzählt, dass nur ein Rascheln ihn davon abgehalten hätte, es sich zu greifen. Also hatte er mit Olaf nicht nur als bestem Kumpel, sondern hauptsächlich als leidenschaftlichem Kammerjäger darum gewettet, er würde es nicht schaffen, „das Viechzeugs plattzumachen!“. Olaf war selbstverständlich dabei. Wer konnte nicht ein paar Nuggets gebrauchen? Oder Diamanten, Rubine und Saphire? Nur hatte er feststellen müssen, dass es sich bei dem ‚Viechzeugs‘ erstens um Ratten handelte und diese zweitens nicht ‚plattgemacht‘ werden wollten. Stattdessen war jetzt ein Rudel von mindestens 60 Biestern dabei, ihn plattzumachen und jagte ihn durch die Gänge.
Die Orientierung hatte er längst verloren. Genauso seine gesamte Ausrüstung. Aber das war Olaf inzwischen egal. Sein bisschen Kammerjäger-Hokuspokus hätte vielleicht für zwei der Bestien gereicht. Er war auf Küchenschaben mit Vorort-Einfamilienhaus-Charme eingerichtet. Nicht auf diese Hölle. Dafür wäre mindestens ein Fegefeuer notwendig gewesen.
Bei der nächsten Gabelung rannte Olaf nach rechts. Es ging steil bergauf – das musste der Ausgang sein. Doch nach einer Kuppe schlitterte er überrascht einen Hang hinab, während die Meute hinter ihm ohrenbetäubend lärmte. Mehr stolpernd als laufend fand Olaf wieder festen Boden unter den Füßen.
Plötzlich war Stille. Als er sich umdrehte, waren die Ratten weg. Das Scharren, Trippeln und Fiepsen verlor sich so schnell, wie es eben noch hinter ihm hergewalzt war. Er lachte irre, er weinte, es war vorbei. Er hatte überlebt. Er wusste nicht warum, aber das war jetzt auch egal. Jetzt war alles egal. Es wurde Zeit, wieder ins Licht zu kommen.
Olaf ließ die Fackel sinken, um den Weg besser zu sehen. In dem Moment erkannte er seinen fatalen Fehler. Die Warnschilder. Die Ratten, die von ihm abgesehen hatten. Die Fackel. Es war so eindeutig. Gas. Er verfluchte sich einmal mehr. Bevor er dazu kam, in irres Lachen auszubrechen, konnte er nur noch an Pieter denken, an ihre Wette. Und an etwas Glänzendes.



