Ina Thomas: Eine Führung durch das Caritas-Werk in Imgenbroich
Entstanden ist der Text im Sommersemester 2018 im Kurs Journalistisches Schreiben
veröffentlicht in der Zeitung Ausgabe Nordeifel
Eine Führung durch das Caritas-Werk in Imgenbroich
Von Ina Thomas.
Till sitzt hinter einer Glasscheibe am Empfangstresen. Sobald jemand die „Caritas Betriebs- und Werkstätten GmbH (kurz: CBW)“ in Imgenbroich betritt ist Till zur Stelle: Alle Anrufer von auswärts kommen zunächst bei ihm an, er leitet diese dann in Absprache mit seinen Kollegen weiter. Genauso bei einer wichtigen Bekanntgabe, wie zum Beispiel, wenn der Fußballkurs ausfällt: Till hält die Taste auf dem Telefon und spricht die Durchsage. Der seh- und gehbehinderte junge Mann ist bereits seit 2005 im Werk in Imgenbroich. Der Empfangstresen ist sein absoluter Lieblingsarbeitsplatz.
Von hier aus übernimmt Christina Borg, Sozialarbeiterin der CBW, die Führung durch das Werk. Sie hat Soziale Arbeit studiert und arbeitet seit 2014 in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung.
In der Städteregion Aachen gibt es insgesamt sechs Standorte der Caritas GmbH, dabei sind unter anderem Wäschereien, Schreinereien, Nähereien und Druckereien. Das Werk in Imgenbroich hingegen besteht hauptsächlich zur Metallverarbeitung. Dazu gehört neben dem heilpädagogischen Arbeitsbereich, die „Metallwerkstatt“, in der wie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gearbeitet wird, die „Stanz-/Montage-Abteilung“ und den Arbeitsbereich der „Montage und Verpackung“. Hier arbeiten vor allem Menschen, die schwer eingeschränkt sind oder auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Auch Till und Juliane waren zuerst hier.
Wenn man durch die Sicherheitstüren und die große Lagerhalle geht, vorbei an der Glasfaserwolle und den Spanplatten, sitzt Juliane an einem Tisch im Büro. Sie wollte nach dem Schulabschluss eigentlich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, doch das hat nicht funktioniert. Daraufhin kam sie zur CBW und nimmt jetzt am Berufsbildungsprogramm teil. Mittlerweile hat sie sich in Imgenbroich gut eingefunden und viele Freunde in der Werkstatt, aber trotzdem ist das für sie nicht von Dauer: „Ich gehöre hier eigentlich nicht hin“, sagt sie, und bindet sich dabei den Zopf neu. Juliane hat zahlreiche Praktika absolviert, z.B. in der Jugendherberge „Hargard“ oder im Einzelhandel bei „Takko Fashion“. Das will sie weiterverfolgen: Die Simmeratherin hat nur eine geringe geistige Einschränkung und hofft, dass sie nach ihrer Ausbildung auf den Arbeitsmarkt vermittelt werden kann. Darauf wird sie hier vorbereitet.
Der Berufsbildungsbereich (kurz: BBB) gleicht einer Ausbildung, die Menschen mit Behinderung bei der CBW absolvieren können. Jeden Mittwoch ist Schule, ansonsten sind sie in der Werkstatt. Insgesamt dauert das Programm 27 Monate und hat das Ziel, die Beschäftigten in mindestens drei Bereiche einzuarbeiten. Oft ist es jedoch schwer, sie in verschiedenen Abteilungen unterzubringen, wenn sich die BBBs einen gewissen Bereich ausgeguckt haben. „Dann müssen wir ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, aber meistens funktioniert das auch gut.“ so Dana Bouamoud, Begleiterin des Berufsbildungsprojekts.
Heilpädagogischer Arbeitsbereich
Es klingeIt. Pause. Einige Beschäftigte laufen zum heilpädagogischen Arbeitsbereich (kurz: HPA): „Wenn sie ein bisschen Zeit haben, rennen viele aus der Werkstatt rüber und spielen ein bisschen mit den Leuten aus dem HPA.“, erzählt Borg. Im Gegensatz zur Werkstatt arbeiten hier vor allem schwerst-mehrfach behinderte Menschen. Jeder muss also ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Arbeit leisten, so verlangt es die Gesetzgebung in NRW. Natürlich ließe sich das ziemlich frei definieren, da die Menschen zwar gefördert aber nicht gedrängt werden sollen. „Sie machen nur das, was für sie tragbar ist. Das kann also auch heißen, dass ihre Aufgabe ist, pro Tag ein Blatt Papier zu schreddern“, erklärt die 29-jährige Sozialarbeiterin.
Dietmar ist ein Mitarbeiter der Stanz- und Montageabteilung. Im Gegensatz zu Juliane hat der geistig-behinderte Mann früher auf dem ersten Arbeitsmarkt gearbeitet. Jahrelang hat er in einer Kneipe in Roetgen hinter der Theke gestanden. Vor sechs Jahren kam er dann in die Werkstatt in Imgenbroich. Hier arbeitet er an den unterschiedlichsten Maschinen in der Halle. Daran kleben überall Bilder und Zeichen, die den Arbeitsablauf erklären. Es sind also ganz normale Industriegeräte, nur eben etwas bedienerfreundlicher. „Ja klar, hier ist der Umgang mit den Kollegen und dem Stress einfach viel besser, als bei meinem alten Arbeitsplatz“, antwortet er auf die Frage, ob er im Werk Imgenbroich bleiben möchte.
Geringe, aber erfolgreiche Weitervermittlung
Eigentlich ist ein Ziel der Betriebs- und Werkstätten GmbH jedoch, geeignete Beschäftigte auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Im Jahr 2017 sei dies bei 8 von etwa 1200 Beschäftigten gelungen, so Christina Borg. Auch wenn das sich nach wenig anhöre, sei das völlig normal: „Viele der Mitarbeiter mit Behinderung wollen gar nicht woanders arbeiten, weil sie hier eine Sicherheit haben, die man bei keinem anderen Arbeitsplatz hat.“
Einer der Betreuer ist Timo Steffens. Er war zuvor, genau wie die anderen Betreuer, Handwerker. Die Zusatzqualifikation für die Arbeit mit Behinderten kam erst dazu, nachdem er bei der CBW seinen Zivildienst leistete. Der Unterschied zwischen einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen und einem anderen handwerklichen Betrieb sei für ihn vor allem das Soziale: Man sei oft Ansprechpartner für persönliche Probleme, was in anderen Betrieben eher selten vorkommt. „Da könnte ich auch sagen: ‚Interessiert mich nicht, wir sind hier auf der Arbeit.‘ Aber das macht man natürlich nicht“, betont Steffens.
Im Gegensatz zu reinen Betreuungseinrichtungen hat hier auch die wirtschaftliche Leistung einen hohen Stellenwert. Es werden also genauso Aufträge erfüllt, wie überall: In der einen Halle stehen große Körbe mit bunten Plastikbällen, welche die Mitarbeiter für den Hersteller aufpumpen. Auch Kleinteile für die Autoindustrie, wie Teile von Tankverschlüssen, werden hier zusammengesetzt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes, in einer anderen Halle, ist es definitiv lauter. An den verschiedensten Geräten stehen Arbeiter mit Schutzbrillen und -Handschuhen. Hier werden Teile für Bettgestelle in LKWs aus Aluminium ausgesägt. Wenn also nachts die LKW-Fahrerkabine zu einem Schlafplatz wird, die Fahrer das Bett aus der Wand klappen, wurde dieses vielleicht von in der Werkstatt in Imgenbroich gefertigt.
Veränderung in der Form der Behinderung
In den letzten Jahren hat sich an den Beschäftigten einiges verändert: Die „klassisch geistig Behinderten“ wie u.a. Menschen mit Down-Syndrom gibt es heute kaum noch – vielleicht, weil man mittlerweile viele Krankheiten vor der Geburt feststellen könne. Die Eltern entschieden sich dann oft gegen das Kind, vermutet Dana Bouamoud. Das hieße aber nicht, dass die Zahl der Menschen mit Behinderung grundsätzlich sinkt, nur die Art der Behinderung tue dies: Viele sozial-verhaltensauffällige Menschen arbeiten heute bei der CBW. In ihrer Kindheit galten diese als „schwer erziehbar“, doch durch die mangelnde Förderung werden die Defizite immer größer. Das wirke sich auch auf die Gruppen aus, denn man müsse oft besonders stark auf die Leute eingehen, so dass sich die anderen manchmal benachteiligt fühlen. Schade daran sei, dass sie grundsätzlich kognitiv fitter als manche andere seien, sich das aber durch ihre Null-Bock-Einstellung und ihre Aggressivität kaputt machen.
Tills absolute Leidenschaft ist die Musik. In seiner Freizeit geht er gerne auf alle möglichen Konzerte oder macht selbst Musik. „Am besten ist es natürlich, wenn meine Begleitperson auch Fan der Band oder des Sängers ist, dann macht’s am meisten Spaß.“, betont er und wippt dabei auf seinem Stuhl. Auch während der Arbeitszeiten bietet die CBW GmbH Freizeitaktivitäten für alle Mitarbeiter an: Der große Außenbereich mit viel Grün, freier Fläche und Sitzgelegenheiten ist wie gemacht für Sportkurse. Auch Computerkurse und Schreibkurse kann man belegen. In der Kantine gibt es einmal täglich warmes Essen für Jeden. Dadurch ist die Werkstatt in Imgenbroich für Menschen mit Behinderung viel mehr, als nur ein Arbeitsplatz.