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RWTH-Schreibzentrum

Kategorie: ‘Journalistisches Schreiben’

„Außer mir weiß es niemand mehr.“

25. Juli 2016 | von
 Dieses bewegende Portrait des überlebenden jüdischen Widerstandskämpfers, schrieb Simone Hüttenberend im Rahmen unseres Journalistisches Schreiben . Vielleicht habt ihr es auch schon in der letzten Ausgabe der AStA-Zeitschrift „relatif“ gesehen? Danke für diesen tollen Artikel!

Als der junge Siegmund die Männer an seinem Fenster vorbeimarschieren sieht, ist er fasziniert von ihrem imposanten Erscheinungsbild: „Baumlange Kerle, adrett gekleidet und gut genährt.“ Disziplinierte Frontsoldaten in geordneten Reihen. Kein einziger Schuss fällt. Die Gerüchte, die den Besatzern vorausgeeilt sind, scheinen sich  nicht zu bewahrheiten; Deutschland ist eben doch eine Kulturnation und weiß sich zu benehmen. Glaubt man.
3. September 1939, zwei Tage nach Kriegsbeginn. Die Nazis besetzen das polnische Będzin, um es kurzerhand in Bendsburg umzubenennen und es in das Deutsche Reich einzugliedern – inklusive seiner 40.000 Einwohner, unter ihnen 27.000 Juden.
In der Nacht vom 8. zum 9. September ermordet die Wehrmacht im historischen Judenviertel 400 Menschen. Sie werden in die Synagoge getrieben und in ihr verbrannt. Wer zu fliehen versucht, wird erschossen. Von eben jenen baumlangen Kerlen, die der junge Siegmund noch fünf Tage zuvor so bewundert hatte. Mit 15 Jahren muss er  erfahren, was es heißt, wenn einen die bloße Existenz zum Verbrecher macht.
Über dem Sofa hängt ein farbenfrohes Bild von den Gärten von Jerusalem. Dunkelgrüne Palmen und Pinien stehen vor einem tiefblauen Himmel, dazwischen liegen weiße Häuser mit roten Dächern. „Das Bild ist von meinem Sohn“, sagt Siegmund Pluznik stolz. Ihm gegenüber hängt ein ähnlich buntes Gemälde, gemalt von seinen Enkeln. Siegmund Pluznik wohnt heute in der Budge-Stiftung in Frankfurt. Das Ehepaar Henry und Emma Budge hat vor über 90 Jahren die Stiftung gegründet, damit hier Juden und Christen miteinander in Würde altern können. Mit diesem Auftrag ist das Seniorenheim einzigartig in Europa, auch wenn es kaum noch möglich ist, die Zimmer zu gleichen Teilen zu belegen. Im koscheren Esssaal sitzen die letzten Überlebenden der Shoah, beinahe wöchentlich werden es weniger.
„Wir durften nicht auf der Hauptstraße laufen, in den Park gehen, auf der Bank sitzen. Alles nicht ausdrücklich Erlaubte war verboten. Darunter fiel vor allen Dingen der Schulbesuch.“ Die Jugendorganisation Ha‘noar Hazioni fasst den waghalsigen Entschluss, ihre Mitglieder trotz Schulverbots weiter zu unterrichten. Siegmund Pluznik ist einer von ihnen. Die Schüler müssen ihre Bücher zum Unterricht schmuggeln und riskieren für ein bisschen Bildung nicht nur das eigene, sondern auch das Leben ihrer Familien. Einmal erwischt gibt es keine Hoffnung auf Rückkehr. „Auschwitz lag 40 km vor den Toren von Będzin. Wir hörten, dass es immer mehr Gaskammern und Krematorien gab. Ganz einfach: Auschwitz bedeutete langsamen oder schnellen Tod. Mit dieser Gewissheit konnten wir alles riskieren. Sie hat uns geholfen, in den Widerstand zu gehen.“
 Als Siegmund Pluznik vor gut 20 Jahren in den Ruhestand geht, wird die Geschichte des Jüdischen Widerstandes zu seiner Lebensaufgabe. Er hat Archive aufgesucht, Dokumente und Fotos durchforstet sowie eine Ausstellung ins Leben gerufen. Er nennt Namen, von Opfern und von Tätern. „Es ist mir wichtig, dass Sie es wissen. Weil nach Elie Wiesel (Shoah-Überlebender und Friedensnobelpreisträger, Anm. d. Red.) wird jemand, der dem Zeitzeugen zuhört, auch zum Zeitzeugen. Vom wem sollen Sie es sonst erfahren? Außer mir weiß es niemand mehr.“
Das erste Opfer der Klasse ist Joseph Weinstock. Er wird in ein Arbeitslager geschickt. Ein paar Wochen später kommt die Nachricht von seinem Tod. Monat für Monat verschwinden weitere Menschen, Bendsburg wird  germanisiert. Während die Wehrmacht die polnische Bevölkerung aus der Stadt vertreibt, wird Siegmund Pluznik mit seiner Familie einem „Geschlossenen Judenbezirk“ zugewiesen. „Im Prinzip war es kein richtiges Ghetto. Unter Ghetto versteht man, wenn es umzäunt ist, mit Mauern umgeben oder mit Wachtürmen und Stacheldraht. Das war in Będzin nicht nötig. Um sich zu verstecken oder wegzulaufen, brauchte man Hilfe. Die hatten wir nicht.“
Als am 1. August 1943 der „Judenbezirk“ liquidiert wird, hat sich die ehemals unpolitische Ha‘noar Hazioni zu einer gut organisierten Widerstandsgruppe entwickelt. Mit Verbindung zu Mordechaj Anielewicz und Eliezer Geller, zwei Anführern des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Ihr erklärtes Ziel ist es, zu überleben, um ihre Geschichte weiter erzählen zu können. Von den 60 Menschen, die an diesem Tag in den Untergrund abtauchen, werden 45 den Krieg überstehen.
Siegmund Pluznik ist der reinste Entertainer, wenn er vor Leuten spricht. In einem Moment scherzt er über seine Karriere als Schulschwänzer, im nächsten durchwacht man mit ihm eine Nacht im Luftschutzbunker. Gerade  Schüler fühlen mit dem jungen Siegmund, der ohne Grund von einem Polizisten ins Gesicht geschlagen wird, und sie fiebern mit, als der 17-Jährige sich auf die Suche nach Schmugglern macht und nicht so recht weiß, wie er das anstellen soll.
In einer zehnköpfigen Gruppe flüchtet Siegmund Pluznik über die Tschechei nach Wien. „Der 1. August 1943 war ein sehr heißer Tag und ich trug ein Sommerjäckchen. Im Winter trug ich noch dasselbe Jäckchen, dieselbe Unterwäsche.“ Im November sinkt die Temperatur in Wien auf unter fünf Grad. Um der Kälte zu entgehen, fährt Siegmund Pluznik lange Strecken Straßenbahn und treibt sich in den öffentlichen Badeanstalten herum. Dabei gilt es, möglichst nicht aufzufallen: Ungepflegte, unbeschäftigte Menschen gelten als suspekt, erst recht in Kriegszeiten. „Wenn Sie obdachlos sind, wo wollen Sie sich rasieren?“
Am Opernring, direkt neben dem Naturhistorischen Museum, steht zu jener Zeit ein Toilettenhäuschen. Im Morgengrauen, wenn es die Männer vor lauter Kälte nicht mehr aushalten, können sie sich hier ein wenig aufwärmen, sich waschen und rasieren. Nur die Toilettenfrau wird Zeugin des Geschehens. Siegmund Pluznik gibt ihr statt 10 Pfennig 20 Pfennig. „Nach ein paar Tagen fand ich eine Rasierklinge beim Waschbecken. Gebraucht
zwar, aber sie war besser als meine. Die Frau hätte mich der Gestapo ausliefern können, stattdessen machte sie mir ein Geschenk. Um jemanden in Not zu helfen, muss man keine Titel, keine Diplome besitzen, man muss nur das Herz an der richtigen Stelle haben.“
Heute spricht Siegmund Pluznik nicht mehr zu Klassen. Er hat seine Ausstellung an den HEIMATSUCHER e.V. weitergegeben. Damit die Geschichte nicht mit den letzten Überlebenden verstummt, hat der Verein das Konzept der Z(w)eitzeugen entwickelt. Die Zeugen der Zeitzeugen veranstalten Ausstellungen und besuchen Schulen. Sie tragen die Geschichten der Shoah weiter und stoßen bei den Schülern auf viel Empathie und Tatendrang. Als frisch gebackene Z(w)eitzeugen können die Schüler schließlich Briefe an die Überlebenden schicken, solange es sie noch gibt.
Siegmund Pluznik sitzt an seinem Küchentisch neben der Durchreiche. Eine große Lupe in der einen, sein Telefon in der anderen Hand. Vorsichtig drückt er die Ziffern und wartet auf das Freizeichen. Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine Stimme und Siegmund Pluznik geht in die Charme-Offensive. Am liebsten sucht er Unterstützer für den HEIMATSUCHER e.V. und schmiedet Pläne für neue Ausstellungen und Lesungen. Auch wenn er seit einigen Jahren kaum selbst noch Vorträge hält, den Kampf gegen das Vergessen wird er niemals aufgeben. Es ist ein unerbittlicher Kampf mit einem hartnäckigen Gegenspieler – der Zeit.
„Ich bin 15 Jahre alt und eigentlich ein wenig kalt manchmal, aber du hast mich zum Nachdenken gebracht. Ich sehe jetzt alles mit anderen Augen. Ich finde es gut, dass du deine Erfahrung und dein Wissen mit uns teilst. Mit uns meine ich alle Menschen, die deine Geschichte mitbekommen haben, denn alle Menschen sind gleich. Danke, dass du da bist, Siegmund.“
– Brief einer Schülerin (15 Jahre)

Auf geht’s ins Blätterdach

28. Juni 2016 | von

Eifelbäume

 

Was machen zwei Studierende nachts im Wald? Für ihre Reportage hat Christine Hendriks die beiden bei ihren Forschungen in den Wäldern der Region begleitet.

Ein weiterer interessanter Artikel aus unserem Seminar Journalistisches Schreiben, der auch in der AZ / AN erschienen ist. Herzlichen Glückwunsch!

 

Wie und warum Vanessa Bursche und Klara Krämer Eifelwälder unter die Lupe nehmen. Vom Wert der Bäume.

Es regnet nicht. Seit etwa einer Stunde ist es dunkel. Durch die Baumkronen scheint fahles Mondlicht und wirft bizarre Schatten auf den Waldboden. Ein Käuzchen schreit. Dann ist es wieder still. Niemand ist um Mitternacht im Wald unterwegs – sollte man meinen. Zwei junge Frauen schleppen eine Obstbaumleiter durch das Unterholz und richten sie unter einer Buche auf. Klara drückt die Verankerungen tief in den Boden, während Vanessa ihr Messgerät überprüft. „Das sollte halten“, sagt Klara. Vanessa grinst und klettert die frei stehende Leiter vier Meter hoch bis ins Blätterdach.

Ein RWTH-Projekt

Vanessa Bursche und Klara Krämer sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Umweltforschung der RWTH Aachen. Als Promotions-Stipendiatinnen der Dr.-Axe-Stiftung untersuchen sie den Einfluss verschiedener Waldmanagement-Strategien auf die Entwicklung der Rotbuchenwälder in der Eifel. Silvaluta, ihr Projekt, läuft seit 2010. Ziel ist es, die ökologischen Prozesse zu verstehen, denn neben dem Rohstoff Holz liefern die Wälder einen wichtigen Beitrag zum Klima und dienen als Lebensraum für viele Tierarten.

„Es gibt viele alte Bestände schon von vor den Wetteraufzeichnungen, und man weiß nicht, wie die Leute den Wald damals bewirtschaftet haben. Manchmal führen sogar Römerstraßen durch den Wald“, erzählt Martina Roß-Nickoll, Leiterin der Arbeitsgruppe „Ökologie und Ökotoxikologie der Lebensgemeinschaften“. Die Erforschung der unterschiedlich bewirtschafteten Waldflächen im Landkreis Ahrweiler bringt viele Herausforderungen mit sich. „Bäume leben sehr lange. Ein Menschenleben beträgt nur circa ein Fünftel des Lebens eines Baumes.“ Deshalb könne man Wälder nur in Momentaufnahmen untersuchen. Eine komplexe Aufgabe, die für die Ökologin auch eine persönliche Bedeutung besitzt. „Ich möchte die Wälder so naturnah wie möglich gestalten, und durch die Aufklärung der Prozesse vermitteln, wie wertvoll sie für uns sind.“

In einem gesunden Wald ist es im Sommer kühler und feuchter als auf dem freien Feld. Die klimatischen Bedingungen stehen in engem Zusammenhang mit der Photosynthese der Blätter. Ein zentraler biologischer Prozess, den Vanessa Bursche untersucht,um die Vitalität der Bäume zu bestimmen. Denn mit Hilfe von Sonnenlicht, Kohlendioxid (CO2) aus der Luft und Wasser produziert ein Baumsein organisches Baumaterial. Für einen Kubikmeter Holz bindet er eine Tonne CO2 und bildet gleichzeitig 750 Kilogrammlebenswichtigen Sauerstoff – ein echter Beitrag zum Klimaschutz.

Für die Freilandarbeit muss man spontan sein. „Manchmal fahre ich zwei Stunden zum Wald, weil der Himmel klar ist, und kaum bin ich da, fängt es an zu regnen“, sagt Vanessa Bursche und lacht. Ihr Messgerät bestimmt die Photosyntheseleistung der Blätter, indem es sie mit Licht bestrahlt, und „das geht nur, wenn es keine  ungewünschte Reflexion durch Regentropfen gibt und die Blätter eine Stunde vorher nicht mehr dem Sonnenlicht ausgesetzt waren“, erklärt sie.

Deshalb unternahm sie mit Klara Krämer und der Obstbaumleiter bereits diverse lange nächtliche Streifzüge durch die Eifeler Waldgebiete. Das Klettern im Dunkeln ist kein gewöhnlicher Job, aber an Übung mangelt es nicht: Bei zehn Blättern pro Baum und drei Bäumen pro Fläche untersuchte sie 360  Blätter. „Am Anfang hatte ich wirklich ein bisschen Bammel, aber die Leiter ist sehr stabil.“

Nachhaltiges Management

Die Forstwirtschaft hat in Deutschland lange Tradition, und „es wirkt sich langfristig aus, wie die Förster den Wald behandeln“, sagt Martina Roß-Nickoll. Im naturnahen Plenterwald gibt es Bäume verschiedenen Alters, das heißt, es werden nur einzelne Bäume entfernt. Anders der Altersklassenwald: Hier werden die Bäume gruppenweise ab einem bestimmten Alter gefällt. „Ursprünglich war nahezu die gesamte Landesfläche mit   Rotbuchenwäldern bedeckt“, so die Ökologin. Doch durch die intensive Nutzung und die Einführung von schnellwachsenden Fichten und Douglasien sind die Rotbuchenbestände heute auf weniger als fünf Prozent geschrumpft. Nachhaltiges Waldmanagement ist nötig, um diese Wälder für kommende Generationen zu erhalten.

Ein Mikroskop, daneben eine Glasschale mit toten schwarzen Käfern, die säuberlich angeordnet auf dem Rücken liegen – Klara Krämer kennt sie alle. „Ich untersuche, wie sich die verschiedenen Waldwirtschaftsformen auf die Vielfalt der Käferarten auswirken“, sagt die Doktorandin. Dazu hat sie Käfer in Bodenfallen gefangen und 10 000 Liter Waldboden durchsiebt.

Eine gewisse Sehnsucht

Sie holt ein Foto aus ihrem Ordner. „Das ist ein Holzrüssler“, eine seltene Art, die für ihre Arbeit besonders aufschlussreich ist. Der nur zwei Millimeter große Bewohner alter Wälder ernährt sich von Totholz und ist flügellos. Deshalb bewegt er sich nur wenige Meter pro Jahr und kann vor äußeren Einflüssen nicht fliehen. Wenn sie ihn findet, hat Krämer ein wichtiges Indiz, dass es sich um einen alten naturbelassenen Wald handelt.

„Wälder sind etwas Besonderes“, da sind sich die drei Wissenschaftlerinnen einig. „Vielen Leuten ist heute nicht mehr klar, dass diese Ökosysteme ganz ohne den Menschen funktionieren, weil die Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum zu balancierten Systemen führt“, sagt Martina Roß-Nickoll. Für die Untersuchung dieser komplexen Prozesse erfahren die Forscherinnen viel positive Resonanz von der Öffentlichkeit. Das sei vor 30 Jahren noch nicht so gewesen, erinnert sich die Gruppenleiterin. „Ich glaube, die Menschen sehnen sich heute nach etwas Dauerhaftem, und finden im Wald Erholung vom hektischen Alltag.“ Ein Grund mehr, wieder in die Eifel zu fahren, finden Klara Krämer und Vanessa Bursche – Ökologinnen aus Leidenschaft.

Das Projekt Silvaluta des Instituts für Umweltforschung der RWTH Aachen läuft seit 2010 bis voraussichtlich Ende 2016. In diesem Zeitraum werden in der Eifel im Landkreis Ahrweiler unter anderem die Auswirkungen verschiedener Waldbewirtschaftungsformen auf die Vitalität der Bäume und die Lebensgemeinschaften der Tiere und Pflanzen untersucht. Ziel ist es, durch die Forschungsergebnisse ein tieferes Verständnis für die ökologischen Prozesse zu erlangen, um die heimischen Rotbuchenwälder zukünftig naturnah zu gestalten. Förderer sind die Dr.-Axe-Stiftung und die Gemeinde Hümmel.

Aachen sehen … und bleiben?

22. Juni 2016 | von

LisaSchubert_relatif

 

Was macht Aachen schön und liebenswert? Für ihre Reportage hat Lisa Schubert mit drei Studierenden und einem Unternehmensgründer gesprochen, die für ihr Studium in die Karlsstadt gezogen sind. Können sie sich vorstellen, sich nach dem Abschluss in Aachen niederzulassen?

Ein toller Text aus unserem Seminar Journalistisches Schreiben, der auch in der AStA-Zeitschrift „relatif“ zu lesen ist. Vielen Dank!

 

 

 

 

Aachen ist eine der beliebtesten Studienstädte des Landes. Aber können sich junge Studierende vorstellen, ihr ganzes Leben in der Kaiserstadt zu verbringen?

Die goldenen Zeiger des Aachener Rathauses zeigen viertel nach eins. Die steinernen Könige an dessen Nordfassade wachen über den Marktplatz. Der Karlsbrunnen schimmert im Sonnenlicht. Postkartentauglich! Und vor dieser historischen Kulisse, mitten auf dem Aachener Markt tummeln sich unzählige Leute – bunt, laut und vor allem jung.

Jährlich strömen tausende Studierende aus vielen verschiedenen Nationen in die Karlsstadt. Auch Jana, Moritz und Lisa gehören zu denjenigen, die sich für ein Studium in Aachen entschieden haben. Hinter ihnen liegen mittlerweile mehrere Jahre in der Stadt am Dreiländereck.

Die „Hidden Champions“
Als Lars Lambrecht vor fünfzehn Jahren die Leidenschaft für das Segelfliegen nach Aachen trieb, ahnte er noch nicht, dass er sich hier einmal eine Zukunft aufbauen würde. Als junger Bursche stand für ihn zunächst nur fest: „Irgendwas mit Flugzeugen soll es sein!“ Daraus wurde ein Maschinenbaustudium mit dem Schwerpunkt Luftfahrt; und so steuerte er den Überfliegern der RWTH Elite-Universität entgegen.

Ruhig und gelassen sitzt er in einer gemütlichen Sitzecke seiner Firma. Ein großer Raum mit einer überschaubaren Anzahl an Mitarbeitern, direkt am Bahnhof Schanz gelegen. „Engidesk“ stellt Ingenieuren
eine Software zur Verfügung, die ihnen hilft, sehr viel produktiver und kreativer zu arbeiten. Zufrieden erzählt Lambrecht von der Entscheidung, Aachen als Standort für sein Unternehmen gewählt zu haben: „Durch das Studium war genug Zeit, sich hier ein breites Netzwerk aufzubauen, und außerdem gibt es hier viele Unternehmen und ‚Hidden Champions‘.“ Laut Lambrecht wirkt das Jobangebot in Aachen vordergründig begrenzt, schaut man aber genauer hin, finden sich jedoch auch einige Weltmarktführer.

Aufgeschlossen noch und (n)Öcher
Auf dem Aachener Campus tummeln sich mittlerweile etwa 58.000 Studierende. Darunter überwiegend Männer. Einige von ihnen eher schmal und etwas blässlich; als Kleidungsstück dominiert das Karohemd. Klischee erfüllt! „Man trifft eigentlich nur einen Schlag Mensch hier – Ingenieure“, findet Moritz. Als ehemaliger Elektrotechnikstudent fügte er sich eine Zeit lang selbst in die Reihe der Unauffälligen; seit etwa drei Jahren geht er als Doktorand seinen eigenen Weg.

Außerhalb der technischen Universität, fernab von Karohemden und Unscheinbarkeit, begegnet einem das bunte Leben. Lambrecht genießt seinen heterogenen Bekanntenkreis, den er und seine Frau sich über die Jahre aufgebaut haben. „Die meisten sind sehr aufgeschlossen und man spürt die Kreativität. Es begegnen einem vermehrt Leute mit festen Plänen und Zielen, die eine Geschichte zu erzählen haben und unternehmenslustig sind.“

Von allem ein bisschen
Für Aachen finden die meisten zwei Worte: Gemütlich, überschaubar. Die Innenstadt direkt vor der Haustür, die Natur zum Greifen nahe. Der Aachener Wald, das Dreiländereck, der Lousberg; ideale Rückzugsorte für den Naturfreund, der die gelegentliche Flucht aus dem Stadttrubel sucht.

Die Studentin Jana hat etwa drei Jahre in einer Wohngemeinschaft in der Aachener Innenstadt verbracht. Als Geographiestudentin liebt sie die Ferne, Abwechslung und das Reisen. Viele Städte hat sie schon gesehen, darunter Großstädte wie Stockholm, Hamburg und Berlin. Trotzdem hat sie zu Aachen eine ganz besondere Verbindung. „Aachen ist für mich eine ganz besondere Stadt. Sie bietet viel Abwechslung und trotzdem ist zu Fuß fast alles erreichbar.“

Alles Wasser kommt von oben
Der Ursprung des Namens Aachen wird in dem altgermanischen Wort „Ahha“ vermutet, das so viel wie „Wasser“ bedeutet. Noch vor einigen Jahren war Aachen Anlaufpunkt für zahlreiche überarbeitete Geschäftsmänner aus der Umgebung, die nach Erholung in den heißen Quellen suchten. Das heilende Thermalwasser, ein Aushängeschild der Stadt.

Dennoch vermissen viele das Wasser. Denn einen See oder einen Fluss hat das kleine Städtchen nicht zu bieten. „Das Einzige, was in Aachen fehlt, ist ein Gewässer“, findet auch Hobbysegler Lambrecht. Um zum Wasser zu gelangen, muss er mindestens eine Stunde Fahrt zum Rursee oder nach Roermond in Kauf nehmen.

Zu wenig Wasser am Boden, zu viel Wasser von oben. Nicht selten sind die Öcher dem monotonen Plätschern des Regens ausgesetzt. „Das Wetter in Aachen ist eine Katastrophe!“, bemerkt auch Geisteswissenschaftlerin
Lisa. Sie stammt aus Nürnberg, der zweitsonnigsten Stadt Deutschlands. Dabei schneidet Aachen insgesamt mit durchschnittlich 1552 Sonnenstunden im Jahr und auf Platz 19 der sonnigsten Städte Deutschlands gar nicht so schlecht ab.

Bis dass der Studienabschluss uns scheidet?
„Ich bin noch nie so lange an einem Ort gewesen wie jetzt in Aachen“. Für Lambrecht steht fest, dass er das kleine Städtchen so schnell nicht mehr verlassen wird. Können sich die drei Studierenden ebenfalls vorstellen, in Aachen zu bleiben?

Jana ist für das Masterstudium aus Aachen weggegangen, da sie sich nach einer neuen Umgebung gesehnt hat. „Generell könnte ich mir aber schon gut vorstellen, irgendwann wieder hierherzuziehen.“ Doktorand Moritz zieht es nach über zehn Jahren in der Karlsstadt in eine größere Stadt wie Köln. Und Geisteswissenschaftlerin Lisa ist sich noch nicht sicher, kann sich aber durchaus eine Zukunft in Aachen vorstellen.

Zurück auf dem Marktplatz. Mittendrin fällt jetzt auch vereinzelt der ein oder andere Rentner auf, der seine Füße behutsam über das Kopfsteinpflaster hebt. Vielleicht wird in vielen Jahren einer der dreien unter ihnen sein; gealtert, zufrieden und umgeben von Studierenden.

Durch elf Hochsicherheitstüren in den Strafraum

09. Juni 2016 | von

Bis ins Gefängins hat sich Helena Mertens für unser Seminar Journalistisches Schreiben gewagt. Das Thema ihres Artikels ist eine Partie Fußball: Die JVA-Mannschaft „Villa Kunterbunt“ gegen die Gastmannschaft „Motex“. Der spannende Spielbericht hat es sogar in die Aachener Zeitung / Aachener Nachrichten geschafft – Herzlichen Glückwunsch!

Helena Mertens_JVA_AZAN

 

Durch elf Hochsicherheitstüren in den Strafraum

13 Männer entscheiden sich freiwillig für den Gang in die Aachener JVA und lassen sich zwei Stunden für ein Spiel gegen die Gefängnismannschaft einschließen

Aachen. Es ist ein nasskalter Mittwochabend. Das grelle Flutlicht ist eingeschaltet, und die zehn Spieler der „Villa Kunterbunt“ in gelben Trikots und blauen Hosen spielen sich den Ball auf dem Kunstrasen zu. Ein ganz normaler Fußballplatz, könnte man auf den ersten Blick meinen. Wären da nicht die meterhohen Mauern mit dem Natodraht, die Überwachungskameras an fast jeder Ecke und schwere Seile, die über den gesamten Rasenplatz gespannt sind, damit dort kein Hubschrauber landen kann.

Flapsige Sprüche

Was für die Jungs von „Villa Kunterbunt“, der Fußballmannschaft in der JVA, längst zur Normalität geworden ist, wirkt für Besucher abschreckend. So ergeht es auch den Spielern von „Motex“, der Gastmannschaft, die am heutigen Abend ins Gefängnis kommt.

Unterschiedlicher könnten die Spieler der Mannschaften kaum sein. Während die einen sie nicht mehr sehen können, brennen die anderen darauf, einen Blick hinter die hohen Mauern zu erhaschen. Für den Bauingenieur Jan (23) liegt genau darin der Reiz: „Wir freuen uns auf ein gutes und spannendes Spiel. Aber wir wollen natürlich auch mal sehen, wie so ein Gefängnis von innen aussieht.“

„Motex“ trifft auf die JVA-Jungs, während die sich auf dem Platz aufwärmen. Man mustert einander und nickt sich zu. Kurz vor Spielbeginn ist noch in der Kabine gescherzt worden, die ernste Situation überspielen die „Knast-Neulinge“ mit Humor. Flapsige Sprüche wie „Benehmt euch, sonst bleibt ihr hier“ oder „Unterschätzt die nicht, die üben den ganzen Tag“ werden mit viel Gelächter quittiert. Kameraden, die nicht zum ersten Mal in der JVA spielen, ermutigen: „Ihr braucht nicht zu denken, dass die ein Messer dabei haben, also geht ruhig in die Offensive!“

Der Weg vom Haupteingang bis zum Fußballplatz ist kein alltäglicher: Elf Stahltüren müssen auf und wieder zugeschlossen werden. Umso erstaunlicher, dass auf dem Spielfeld selbst keine Vollzugsbeamten stehen, mit Schlagstock und Pistole. Dass den inhaftierten Spielern Vertrauen geschenkt wird, fällt auf: „In puncto Umgangston und Spielverhalten ist das hier angenehmer als bei manchem Spiel in der zweiten oder dritten Liga“, meint Frank Mingers, der entspannt am Spielfeldrand steht und die Mannschaften mit verschränkten Armen beobachtet. Mingers leitet zusammen mit sechs anderen Vollzugsbeamten den Sport in der JVA. Statt Uniform trägt er einen Jogginganzug.

Feste Regeln, kein Schiedsrichter

Ein Schiedsrichter wird nicht zum heutigen Duell erscheinen. Auch wenn das Fußballspiel im Knast stattfindet, haben die Regeln der Bunten Liga an diesem Abend höchste Priorität: Kein Schiedsrichter, kein passives Abseits, fliegender Spielerwechsel, Einrollen statt Einwerfen, erlaubter Rückpass.

Apropos Bunte Liga: „BUNTE“ steht für Balance, Unterhaltung, Neutralität, Toleranz, Erlebnis. Seit 1982 gibt es diese freie Fußballgemeinschaft. Heute sind dort 56 Mannschaften vertreten. „Wer hier spielt, hat einfach Bock aufs Kicken“, sagt Vorstand Dieter Jeandrèe.

Raus aus den grauen Mauern des Gefängnisses geht es für die „Villa Kunterbunt“ nur bei „knastinternen“ Spielen, z. B. gegen die JVA Siegburg oder Köln. Um für die Meisterschaften und Pokalrunden fit zu sein, trainieren die Fußballbegeisterten einmal pro Woche, meist am Samstag, dem Sporttag in der JVA. Für die Mittwochabende ist in der Regel ein Spiel der Bunten Liga angesetzt. Neben dem Lauf- und Fußballtraining können Inhaftierte Tischtennis, Badminton oder Volleyball spielen und im Fitnessstudio trainieren. „Das Sportangebot ist sehr wichtig für die Jungs, aber wenn mal Not am Mann ist, müssen wir irgendwo anders einspringen. Dann fällt Sport als Erstes aus“, sagt Mingers.

18 Uhr: Es geht los. Der Ball rollt. Gespielt wird zehn gegen zehn. Die ersten fünf Spielminuten sind ein vorsichtiges Abtasten beider Mannschaften. Dann ein Steilpass aus dem Mittelfeld von „Motex“, der die Abwehrreihe der „Villa Kunterbunt“ vollkommen überrascht. Stürmer Jan mit der Trikotnummer 13 läuft allein auf den Torwart zu – Querpass: 0:1.

Nach verhaltenem Jubel wird die Partie fortgesetzt. „Motex“ ist die stärkere Mannschaft. Durch gelungene Kombinationen erarbeiten sich die Jungs weitere Torchancen und treffen. Die Zweikämpfe werden härter. Halbzeit: 2:5.

Keinerlei Fan-Unterstützung

90 Minuten lang spielt die kriminelle Vergangenheit der Heimmannschaft keine Rolle. Für die Jungs von „Motex“ sind sie einfach nur „Gegner, so wie jede Woche“. Kein Grund also, auf dem Platz nicht alles zu geben. Doch in der Halbzeit gesteht Jan: „Als wir uns vor dem Spiel gegenüberstanden, da überlegt man sich schon, was die gemacht haben und warum die hier sind.“ Auf die Frage nach der Fairness des Gegners antwortet der Stürmer: „Klar, es gibt Fouls auf beiden Seiten, aber die sind völlig im sportlichen Rahmen!“

Trotz des unbestreitbaren Heimvorteils fehlt der „Villa Kunterbunt“ jegliche Fan-Unterstützung. Mitinsassen, die von ihren Zellen aus durch die Eisengitter das Spiel beobachten und mitfiebern, sieht man nicht. Keine Reaktion auf Tore. Kein Jubeln, kein Pfeifen, kein Applaus. Nur das Flackern der Fernsehbildschirme in den Zellen.

Zweite Halbzeit: Die Jungs der „Villa Kunterbunt“ geben nicht auf und demonstrieren mit vereinzelt guten Aktionen ihr fußballerisches Können. Der Abwehrchef hämmert einen sehenswerten Weitschuss mit gefühlten 150 km/h in den Winkel – 4:8. Doch den Jubelnden ist klar, dass es sich nur noch um Ergebniskosmetik handelt. In der Schlussphase ist die Luft raus. Am Ende gewinnen die Gäste mit 4:9. Doch die geschlagenen Häftlinge erweisen sich als faire Verlierer. Alle klatschen ab, wirken zufrieden und erschöpft.

Was die Gastmannschaft nach dem Spiel nachdenklich stimmt, ist vor allem das Alter der Inhaftierten. Manche sind gerade Anfang 20 und sitzen nicht wegen Kavaliersdelikten ein. Auf dem Weg zurück auf die andere Seite der hohen Mauern, beim erneuten Auf- und Abschließen der elf Türen, versuchen einige „Motex“-Jungs einen Blick auf die Zellen zu erhaschen. Plötzlich ist die Neugierde groß.

Für den Justizvollzugsbeamten Mingers ist das nichts Neues: „Meistens will die Gastmannschaft erst nach dem Spiel etwas von den Häftlingen erfahren.“ Die Frage, warum die Jungs denn eigentlich sitzen, wird auch an diesem Abend mehrfach gestellt. Mingers lässt sie unbeantwortet – wie jedes Mal.

Auf Mission – jenseits von Monschau

13. April 2016 | von

Wir gratulieren Aline Jansen zur Veröffentlichung ihrer Reportage über einen gebürtigen Monschauer, den eine Missionsreise nach Tansania geführt hat. Der Text entstand im Rahmen unseres Seminars Journalistisches Schreiben und wurde in der Aachener Zeitung / Aachener Nachrichten publiziert.

Screenshot_Jansen

Von Aline Jansen

Er ist Schreiner, Schlosser, Automechaniker und Gärtner. Er ist Ausbilder, Bauunternehmer, Firmenchef und Manager. Alles in einer Person. Und das nicht einmal in Deutschland, wo Computer und Maschinen einen großen Teil der Arbeit übernehmen. Ja nicht einmal in Europa, sondern in Afrika. Sein Job? Afrika-Missionar. Sein Name? Bruder Theo Call – der Mann für alle Fälle.

Auch in seiner alten Heimat vergisst den Missionar niemand. Im Gegenteil. Seit ein paar Jahren liegt in der Eifel fast so etwas wie ein „Theo-Fieber“ in der Luft. 2008 besucht das Ehepaar Elke und Martin Krings aus Konzen Bruder Theo in Kabanga. Und sie sind so begeistert von seiner Arbeit, dass sie den Förderverein „Bruder Theo Call, Weißer Vater der Afrika-Missionare“ zu seiner Unterstützung gründen. Seitdem rühren sie kräftig die Werbetrommel und sammeln Spenden.

Geboren wird er am 31. März 1938 in Konzen bei Monschau in der Eifel. Dort besucht er die Volksschule und beginnt mit 16 Jahren eine Lehre als Huf- und Wagenschmied in einer Konzener Schlosserei- und Schmiedewerkstatt. „Theo war ein ganz normaler Jugendlicher“, erzählt seine Schwester Regina. „Er ist gerne tanzen gegangen und hat mit seinen Freunden auch den einen oder anderen Streich gespielt.“ Außerdem ist er im Dorfleben aktiv: im Turnverein, beim Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes und als zweiter Bass im Kirchenchor.

Doch in dem jungen Mann schlummert ein Traum. Ein Traum, den er nur seiner Mutter verrät: Missionar möchte er werden und nach Afrika gehen, da ist er sich schon im dritten Schuljahr sicher. Seine Mutter behält das erst einmal für sich, vielleicht ist es ja nur das Hirngespinst eines Zehnjährigen.

Heute lebt Theo Call 7600 Kilometer von Monschau entfernt in Tansania, genauer: in Kigoma, der westlichsten Region des Landes, in der Nähe des Tanganjika-Sees. Die Diözese ist so groß wie die Niederlande und zählt mehr als zwei Millionen Einwohner. Hier hat Bruder Theo seine neue Heimat gefunden; in einer Missionsstation im Dorf Kabanga, 40 Kilometer von der Grenze zu Burundi entfernt. „Im afrikanischen Busch“, wie er sagt.

Er baut Kirchen, saniert Gebäude, legt Brunnen an, installiert Pumpen und Solaranlagen. Und das in der ganzen Diözese. Alles, was gebaut wird, läuft über ihn. Von den Zeichnungen über die Berechnungen bis hin zur Ausführung: In Kigoma macht das alles das staatlich anerkannte „Ein-Mann-Unternehmen“ Bruder Theo.

Kabanga entwickelt sich durch ihn zu einem Schwerpunkt für die ganze Region, denn hier steht eines der wichtigsten Häuser. Weiß gestrichene Fassade, ein großes Eingangstor, zu dem sechs Stufen führen, davor eine grüne Wiese und ein paar schattenspendende Bäume: das Krankenhaus mit Chirurgie, Geburtsstation, Zahnarztpraxis und einem separaten Gebäude für Leprakranke. Und mit Strom und fließendem Wasser. Eine Seltenheit in dieser Einöde fast ohne Technik.

Eine Turbine versorgt Missionsstation, Krankenhaus, Werkstätten und die Schule in Kabanga seit 17 Jahren mit Strom. 1984 heben der „starke Mann“, wie die Einheimischen Call nennen, und seine Arbeiter einen Stausee aus – mit Spaten. Ihn speist das Regenwasser und der kleine Karunga-Bach. Die Wasserkraft treibt eine Turbine an und vier Kilometer lange Hochspannungsleitungen transportieren den Strom ans Ziel. Rund um den See sind 50.000 Bäume angepflanzt worden, „die ziehen den Regen an und der Boden kann das Wasser besser speichern“, erklärt der 77-Jährige. Fast 15 Jahre vergehen, bis das erste große Projekt vollendet ist.

Calls Glaubensweg beginnt 1960 mit einem Postulat und einem anschließenden Noviziat. 1967 bildet er sich mit einem Fernkurs über Statik und Bautechnik weiter. Außerdem schickt der Orden ihn für drei Monate nach London, um Englisch zu lernen. Denn in Afrika spricht niemand Deutsch, und erst recht kein „Eifeler Platt“.
Aufbruch in ein neues Leben

Am 4. Dezember 1967 ist der große Tag gekommen: Aufbruch in ein neues Leben in einem fremden Land, unter fremden Menschen, mit einer fremden Sprache und Kultur. Von Düsseldorf über Amsterdam und Rom nach Uganda und weiter nach Tansania. Nach vier Tagen erreicht der 29-Jährige sein Ziel: Ujiji, knapp 100 Kilometer von Kabanga entfernt.

Dort arbeitet er in der Autowerkstatt eines Mitbruders, Pater Fulgens Hirt aus Konstanz. 1970 besteht Call die Prüfung als Kfz-Mechaniker in Köln, übernimmt nach Pater Fulgens‘ Tod die Werkstatt und zieht mit ihr nach Kabanga um. Zusätzlich baut er eine Schreinerei, eine Schlosserei und ein Sägewerk auf, die er bis heute mit seinen Arbeitern betreibt.

Das neueste Vorhaben des Missionars entpuppt sich als Mammutprojekt: der Bau eines 125 KW-Wasserkraftwerks zur Stromerzeugung für das „Bischöfliches Knabenseminar St. Josef“ in Iterembogo, 80 Kilometer von Kabanga entfernt. 600 junge Männer werden dort unterrichtet und auf die Priesterlaufbahn vorbereitet. Zum Priester geweiht werden aber nur vier oder fünf aus jedem Jahrgang. „Aber das ist in Ordnung. Hauptsache, die jungen Leute erhalten eine gute Bildung“, findet Call.

Die Idee, auch dort eine Turbine zu installieren, ähnlich der in Kabanga, geistert bereits seit Jahren in seinem Kopf herum. Jetzt nimmt das Projekt langsam Form an: In den vergangenen drei Jahren haben 50 Arbeiter einen 600 Meter langen, 2,10 Meter breiten und 1,50 Meter hohen Kanal mit Hacke und Schaufel ausgehoben. Wirkliche Handarbeit. Die Männer stehen barfuß auf Geröllhaufen, völlig verstaubt. Acht Stunden am Tag bei sengender Hitze, nur mit Shorts bekleidet. Meter für Meter graben sie sich voran. Einzige Gemeinsamkeit mit deutschen Baustellen: die gelben Schutzhelme.

Die Afrika-Missionare kommen aus Europa, Amerika und mittlerweile auch aus Afrika selber, zum Beispiel aus Schulen wie St. Josef. 1405 von ihnen leben in 20 Ländern Afrikas und 13 übrigen Ländern der Welt. Neben Bruder Theo arbeiten 33 Mitbrüder in Tansania, davon vier Deutsche. Das typische lange, weiße, wallende Gewand bringt ihnen schon bei der Ordensgründung 1868 den Beinamen „Weiße Väter“ ein. Heute verzichten sie lieber darauf, denn er wird – fälschlicherweise – oft mit der Hautfarbe der Mitglieder gleichgesetzt.

Theo Call möchte den Menschen Hilfe zur Selbsthilfe geben. „Glaubensverkündung durch praktische Arbeit“ nennt er das. Manchmal braucht er dafür aber viel Geduld, denn die Menschen mögen keine Veränderungen. Deshalb sind Fortschritte schwer zu erreichen. „Hier will kaum mal einer etwas anderes tun als die anderen. So wie es der Großvater gemacht hat, so machen es auch noch die Jungen“, erzählt der Eifeler.

Ein anderes großes Problem: Korruption. Das ist auch bei einem aktuell brisanten Thema zu spüren: der Verfolgung der Albinos. Albinos sind Menschen, denen durch einen seltenen Gendefekt das Pigment Melanin fehlt. Ihre Haut ist nicht dunkel, sondern hell, genau wie ihre Haare. Sie werden regelrecht gejagt und verstümmelt oder umgebracht, denn selbsternannte Medizinmänner verbreiten einen schrecklichen Aberglauben. Die „Heiler“ brauen aus Körperteilen und Organen der Albinos kannibalische Zaubertränke, die Glück und vor allem Reichtum versprechen.

Seit 2000 sind mindestens 75 Albinos ermordet worden; und das ist nur die offizielle Zahl. Besonders bedroht sind Kinder: Mörderbanden entführen sie aus den Hütten ihrer Eltern und töten sie brutal. Manchmal werden sie sogar von Nachbarn, Freunden oder der eigenen Familie gegen Bezahlung verraten, denn wenn es um Albinos geht, winkt bares Geld. Ein Fuß oder eine Hand sollen umgerechnet 3500 Euro, ein ganzer Körper 70.000 Euro einbringen. Sehr viel Geld, denn das Durchschnittseinkommen in Tansania liegt bei 500 Euro im Jahr.

Sichere Anlaufstellen für Albinos gibt es in Tansania nur sehr wenige. Eine davon liegt in Kabanga. Seit Jahren kommen Albinos zu Bruder Theo, der sie in einer Blindenschule unterbringt – schon lange bevor die Regierung das Problem ernstnimmt.

Heute platzt die Schule aus allen Nähten: Blinde und Behinderte plus 70 Albinos. 150 Kinder. Eigentlich viel zu viele, aber: „Hier sagt man nicht, wir haben Platz für 40 oder 50 Kinder. Nein, hier sagt man, wir haben Platz für alle“, meint Call. Weitere Schlafsäle hat er bereits gebaut, denn die Kleinkinder kommen meistens mit ihren Müttern. Manchmal liefern die Eltern ihr Albino-Kind auch einfach ab und verschwinden.

Die Kinder können in Kabanga zur Schule gehen, ansonsten bleibt ihnen keine Freiheit. Sie leben hinter hohen Wänden mit eingemauerten Scherben, damit niemand herüberklettert, gesichert durch ein Eisentor, das abends verschlossen und von Polizisten bewacht wird. Wenn die Kinder volljährig sind, verlassen sie die Schule und machen Platz für die nächsten. Manche kehren in ihre Dörfer zurück. Wie lange sie dort überleben? Das weiß niemand.

Mut und unermüdliche Kraft für seine kleinen und großen Projekte schöpft Bruder Theo aus seinem Glauben. Er ist überzeugt, dass Jesus letzter Satz im Matthäus-Evangelium zutrifft: „Seit gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“ Er glaubt daran, dass Gott ihm auch in schweren Zeiten zur Seite steht.

Zweimal hat er bereits die tückische Malaria überlebt, und mit seinen 77 Jahren ist er immer noch ziemlich fit – in einem Land, in dem die Lebenserwartung bei knapp 61 Jahren liegt.

Schreiben, Sprache, Kreativiät – zwei Wochen Praktikum beim ZKS

22. Januar 2016 | von

Anna-Maria Cipetic hat bei uns zwei Wochen lang hinter die Kulissen geschaut und in ihrem Schulpraktikum viel erlebt. Was alles passiert ist, erzählt sie euch exklusiv in einer kleinen Reportage.

Anna-Maria Cipetic

Anna-Maria Cipetic

Schreiben, Sprache,  Kreativiät – zwei Wochen Praktikum beim ZKS

von Anna-Maria Cipetic

Es ist Montag. Zwei Studierende plaudern miteinander vor einem Raum in der Uni. Der Flur ist noch ziemlich leer. Wie viele werden wohl noch kommen? An einen Hörsaal mit tausend Sitzplätzen und Massen von Studierenden erinnert dieser Kurs wohl kaum. Denn diese Veranstaltung ist auch an der RWTH Aachen etwas Besonderes. Wo sonst Mathe, Technik und Maschinenbau gelehrt werden, dreht sich heute alles ums Schreiben. Dozent Christoph Leuchter schließt die Tür auf. Knapp vor Kursbeginn kommen die letzten Studierenden mit Thermosbecher in der Hand in den Raum. Nun ist die Gruppe komplett. Leuchter begrüßt alle und der Kurs beginnt.

Training Schriftsprache ist nur einer von vielen Kursen, die das Zentrum für Kreatives Schreiben der RWTH Aachen anbietet. Im Zentrum für Kreatives Schreiben (ZKS) haben Studierende die Möglichkeit, ihre Texte und Schreibkompetenz zu verbessern: Das Kursangebot reicht von wissenschaftlichen Arbeiten bis hin zu journalistischen Texten. Die Studierenden kommen dabei aus allen Fachbereichen. Christoph Leuchter leitet das ZKS seit 2012. Vorher arbeitete er als Lektor in Verlagen und als Texter für Agenturen – außerdem schreibt er gerade an seinem dritten Roman.

Und ich – ich bin auch in Training Schriftsprache mit dabei. Anna-Maria Cipetic ist mein Name, ich bin Schülerin der 9. Klasse und ich mache ein zweiwöchiges Praktikum am ZKS. Ich habe mich bewusst für ein Praktikum entschieden, das mit dem Schreiben zu tun hat. Schreiben ist für mich wie eine Befreiung. Wenn ich schreibe, habe ich das Gefühl, eine Struktur in meine Gedanken zu bekommen. Deshalb kann ich mir auch gut vorstellen, später einmal mit Sprache zu arbeiten. Doch wo? Es gibt so viele Berufsmöglichkeiten und am ZKS lerne ich verschiedene Schreibstile kennen.

Halbzeit in Training Schriftsprache. Christoph Leuchter hat in der letzten Stunde journalistische Schreibtechniken besprochen. Wie baue ich den Text auf? Wie bringe ich meine Beobachtungen anschaulich für die Leser aufs Papier? Diesen Fragen stellen sich die Studierenden im Kurs. Und nehmen auch für wissenschaftliche Texte mit, dass es immer gut ist, sich kurz zu halten.

Doch natürlich gibt es auch große Unterschiede zwischen den Textsorten. Cornelia Czapla ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZKS und ihr Spezialgebiet ist das wissenschaftliche Schreiben. Doch warum sollten Erwachsene noch etwas über das Schreiben lernen, nachdem sie ihr Abitur bereits gemacht haben? „Texte spielen auch für den späteren Beruf der Studierenden eine immer größere Rolle “, sagt Christoph Leuchter. Deshalb sei es wichtig, die Fähigkeit, gute Texte zu schreiben, immer weiter zu verbessern.

Es ist Mittwoch. Ich fahre mit dem Bus und steige an der Unibibliothek aus. Gespannt warte ich vor dem Eingang auf Cornelia Czapla. Wir betreten schließlich gemeinsam das Gebäude und fahren mit dem Aufzug in den dritten Stock. Ein Rundgang durch die Bibliothek: Bücherreihen voll mit Maschinenbauliteratur – ein Thema, womit ich mich in der Schule nie beschäftige. Und selbst die älteren Computer – in Kastenform – werden noch genutzt. Das hätte ich nie gedacht. Aber an anderen Ecken ist die Bibliothek modern. Vor allem im neuen Bibliotheksgebäude haben die Studierenden mehr Möglichkeiten, sich in Lesesäle zurückzuziehen und können sogar ihre Bücher über ein Online-Verfahren ausleihen.

Aber in meiner Praktikumszeit habe ich nicht nur Kurse, wie Training Schriftsprache oder Wissenschaftliches Schreiben, besuchen können. Genauso habe ich das Zentrum bei täglichen Arbeiten kennengelernt und unterstützt: Ich habe E-Mails und Briefe geschrieben; war bei Homepage-Meetings und Social-Media-Treffen mit dabei; habe Texte mitlektoriert und gelernt, wie man die Angst vorm leeren Blatt überwindet. Sogar Einzelcoachings zum Journalistischen Schreiben und zur Textüberarbeitung habe ich bekommen und die Unterschiede beim Schreiben in Wissenschaft, Journalismus und PR kennengelernt.

Während der Zeit beim Zentrum für Kreatives Schreiben fühlte ich mich wirklich wie ein Teil des Teams. Am Anfang war ich ziemlich gespannt und aufgeregt, da ich als Schülerin das erste Mal an einer Uni war, aber zum Schluss habe ich mich gut eingelebt und hatte vor allem viel Spaß. Die Zeit beim ZKS war für mich ein tolles Erlebnis und ich werde viele Erfahrungen mit in die Schule nehmen.

Aus dem Seminar direkt in die Zeitung: Eine Reportage in der Uniklinik RWTH Aachen

01. Dezember 2014 | von

Wir freuen uns sehr, dass erneut ein Text unseres Seminars Journalistisches Schreiben veröffentlicht worden ist. Marie Ludwigs Reportage über den Arbeitstag eines Onkologen an der Uniklinik RWTH Aachen erschien vergangene Woche in der Aachener Zeitung / Aachener Nachrichten (magazin). Wer die Ausgabe verpasst hat, kann den Text hier in voller Länge nachlesen:

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Von Marie Ludwig
Allmorgendlich strömen zum Schichtwechsel Ärzte, Schwestern und Fachkräfte ins Aachener Uniklinikum. In der Masse: ein Mann mit Mountainbike. Zügig bahnt er sich den Weg durch die geschäftige Menge. Dr. Jens Panse Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie sowie Paliativmedizin und arbeitet seit viereinhalb Jahren im Uniklinikum. Wie sieht ein typischer Arbeitstag eines Onkologen aus? Wir haben ihn begleitet…

7.15 Uhr: Jens Panse erreicht nach dem allmorgendlichen Radfahrsport sein Büro: „So bleibe ich fit!“, bemerkt er, während er sich den Schweiß von der Stirn wischt.
Nach dem ersten Kaffee wirft er sich kurzerhand in den weißen Kittel, um den Weg zur Besprechung der Patientenfälle anzutreten. In einem Dauerlauftempo, das selbst den größten Morgenmuffel letztlich erwachen lassen würde, fegt Jens Panse mit flatterndem Kittel durch die labyrinthartigen Gänge des Klinikums.
Ein kleiner Hörsaal ist das Ziel. Alle Oberärzte, Assistenzärzte, praktizierende Studenten und natürlich Chefarzt Tim Brümmendorf besprechen anhand zahlreicher Computertomographien die Krankheitsbilder der Neuankömmlinge auf der Station.

7.55 Uhr: Nach der Großbesprechung führt Panses Weg zur Station. In einem kleinen Raum voller Spinde mit Schaumstoffblümchen und elf Krankenschwestern wirkt der 1,83 Meter große Jens Panse etwas fehl am Platz. Doch der fachliche Austausch verbindet. An einem großen Tisch wird kräftig diskutiert. Wer hier nicht das Fachvokabular beherrscht, wird wohl wenig verstehen.
Doch selbst für einen Laien wird eines schnell klar: Die Schwestern und Pfleger der Station haben einiges zu leisten. Neben der zu behandelnden Krebsart leiden manche Patienten auch unter psychischen Erkrankungen.

8.30 Uhr: Nach der Besprechung geht es im Stechschritt auf die ambulante Station der Onkologie. „Die Aufzüge benutzen hier meist nur die Patienten“, bemerkt Panse und zwinkert einem Kollegen zu, der mit einem Cityroller durch die grünen Teppichflure fährt. Auf der Ambulanz angekommen, bahnt sich Panse seinen Weg durch den Chemotherapie-Aufenthaltsraum, in dem zahlreiche, weich gepolsterte blaue Sessel stehen. Ein Patient erhält hier beispielsweise alle drei Wochen Therapie, manchmal wird die Chemo einmal pro Woche verabreicht .

10 Uhr: Nach der Visite auf der Ambulanz und im Labor führt der Weg des Oberarztes zu einer weiteren Besprechung. Denn neben der Visite sind auch die Vor- und Nachbereitungen der Chemo wichtig. Insgesamt ist auf der onkologischen Station für etwa 48 Personen Platz. Zwischen warmer Heizungsluft, Atemschutz und Desinfektionsmitteln kann einem schon mal schnell schummrig werden, doch die klinische Sauberkeit ist hier ein Muss. Andernfalls würden die stationären Patienten von der kleinsten bakteriellen Infektion schwer erkranken.

11.20 Uhr: In kleiner Runde – zwei Assistenzärzte, drei auszubildende Studierende und ein Pfleger – geht es nun zur Visite. Denn neben der ärztlichen Untersuchung unterrichtet der Oberarzt die Studenten im Umgang mit den Patienten und stellt ihnen knifflige Fragen zu den Krankheitsbildern.
Bei der Untersuchung jedoch wechselt Jens Panse vom Lehrer zum einfühlsamen Vertrauten. Herzlich begrüßt er seine Patienten, nimmt sich Zeit, beantwortet zahlreiche Fragen und legt auch einmal beruhigend den Arm auf die Schulter. Auf die Frage, warum er sich ausgerechnet die Onkologie ausgesucht habe, wirft er lachend den Kopf in den Nacken: „Die meisten Menschen erwarten auf einer Krebsstation eine düstere, morbide Atmosphäre. Doch damit ist man auf dieser Station gewiss am falschen Platz.“
Bei seiner Frau, die als Kinderärztin arbeite, seien alle, die das erfahren, immer glücklich: „Aber wenn die Leute hören, dass ich Onkologe bin, dann bemitleiden sie mich“, fährt Panse kopfschüttelnd fort. Er hingegen lerne seine Patienten wirklich kennen und sei froh, Onkologe geworden zu sein.

13 Uhr: Nach der Visite geht es zur gefühlt zehnten Besprechung des Tages. Hier sind alle Ärzte der Ambulanz und Station anwesend. Im Anschluss an die einstündige Sitzung führt der Weg im Rudel in die Cafeteria. Mit in der Runde ist auch Chefarzt Tim Brümmendorf. Seit 2009 arbeiten er und sein Stellvertreter Jens Panse am Uniklinikum. Ihre Mission unter anderem: Der Aufbau einer Station für Stammzellentransplantation. Die Entwicklung zu einem onkologischen Spitzenzentrum, dem Euregionalen Comprehensive Cancer Center Aachens (ECCA) schreitet voran.
Bei der Frage, warum er gerade Jens Panse aus seinem früheren Team der Hamburger Klinik mitgenommen habe, beginnt Brümmendorf zu strahlen: „Jens Panse ist aus meiner Sicht ein Vorzeigemitarbeiter. Er erweist große fachliche Kompetenz, er ist herzlich, er ist direkt – ein Seelenverwandter.“

15.30 Uhr: Als nächste Etappe des Tages wartet auf Jens Panse die interdisziplinäre Tumorkonferenz. Neben den Onkologen treffen hier Pathologen, Radiologen und die andere Fachärzte zusammen und diskutieren Patientenfälle. Mit zwei Beamern werden CT-Bilder, mikroskopische Aufnahmen von Stammzellen und die Patientendokumentation an die Wand geworfen. Beim letzten CT-Bild einer Patientin hält Panse plötzlich inne: „Wir sollten herausfinden, was das für Knödel im linken Lungenflügel sind“, bemerkt er und beißt in eine Möhre. Die Sitzung findet im großen Piepergeklingel ein Ende, und die Ärzte strömen in allen Richtungen aus dem Saal.

17 Uhr: Der Weg des Oberarztes führt aus dem Konferenzsaal in Richtung Forschungslabor, um die Analysen durchzugehen. Im Anschluss geht es im Galopp wieder auf die Station, um die Patienten ein weiteres Mal zu besuchen. Letztlich warten zahlreiche Mails darauf, beantwortet zu werden. Denn neben seiner Stellung als Oberarzt hat Jens Panse noch weitere Posten: Stellvertretender Klinikdirektor der Onkologie, Medizinischer Leiter des ECCA und des Labors für Immunphänotypisierung, die Organisation von Projekten wie „Nichtrauchen ist cool Euregio“ sowie die Veranstaltungsreihe „Leben mit Krebs“ für Erkrankte, Angehörige und Interessierte.
Doch neben diesen zahlreichen Ämtern ist Jens Panse auch Familienvater: „Natürlich trägt man einen Teil der Arbeit mit nach Hause.“ Er nimmt die schwarz umrahmte Brille ab und fährt sich über sein kurz rasiertes Haar: „Da gab es einen Fall in meinen Anfangsjahren: ein 32-jähriger Patient, Vater einer einjährigen Tochter, erstickt an einem Lungentumor.“ Panse nickt, ja, das sei sehr berührend gewesen, aber mit der Zeit lerne man, wie man Abstand zum Beruf bekommen kann: „Fahrradfahren und Musik an, dann bin ich direkt raus!“

20 Uhr: Die Sonne ist schon längst untergegangen, als es in der Klinik zum Wechsel zur Nachtschicht merklich ruhiger wird. Jens Panse windet sich aus seinem weißen Kittel und hängt ihn sorgfältig an einem Bügel auf.
Ernsthaft bekundet er, dass es in seinem Beruf nicht nur um Tod und Verderben gehe: „Es werden wirklich viele Menschen vom Krebs geheilt. Das darf man nicht vergessen!“ Das wirklich Schlimme an seinem Beruf sei, dass er sich manchmal eher wie ein Verwalter fühle und nicht mehr wie ein Arzt. „Ich wünsche mir, dass die Klinik den Weg zurück zum Patienten findet und ihn nicht zum Kunden macht.“ Er verlässt das futuristische Uniklinikum mit seinen silbernen Wänden und grünen Teppichböden und meint: „Ich glaube, das Wichtigste ist, mit Herzblut bei der Sache zu sein!“

Auf ein Neues

04. August 2014 | von

WP_20140708_006swDie Semesterferien sind da und auch die letzten Texte aus unserem Business-Writing-Kurs trudeln bei uns ein. Über mehrere Monate sind in Kooperation mit der IVU spannende Texte über Projekte des Unternehmens entstanden, die wir zusammen mit der Unternehmenskommunikation der IVU verfeinert haben.  Wer von euch auch gerne einen Businesss-Writing-Kurs belegen möchte, kann sich freuen: Nächstes Jahr im Sommersemester findet der Kurs wieder statt.

Inzwischen ist das neue Kursangebot für das Wintersemester 2014/2015 online: Vom Kreativen Schreiben, über Journalistisches Schreiben bis hin zum Training Schriftsprache und Wissenschaftlichem Schreiben ist für jeden was dabei! Auch eine Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten wird es im Februar 2015 wieder geben.

Die Anmeldephase beginnt bei uns am 01. August 2014. Wer Lust hat, im September schon durchzustarten: Frau Münzberg von der Duden-Redaktion kommt wieder zu uns und wird die Crashkurse  „Gefühltes Komma ‒ richtiges Komma?“ –  Zeichensetzung (Termin: 25.09.2014, 11.00 – 13.00 Uhr) und Zweifelsfälle: deutsche Grammatik in zwei Stunden (Termin: 30.09.2014, 11.00 – 13.00 Uhr) halten.

Anmelden könnt Ihr euch wie gewohnt unter Campus: Sommersemester 2014/Interdiziplinäres Lehrangebot/Sprache.

Wir wünschen euch sonnige und entspannte Ferien und freuen uns euch bald wieder in den Kursen vom ZKS zu sehen.

 

 

 

Seminar bei der AZ/AN: Journalistisches Schreiben

22. Mai 2014 | von

Für das Seminar Journalistisches Schreiben haben wir seit dem letzten Semester auch die Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten als Kooperationspartner. Beim Außentermin in der Redaktionsszentrale der Zeitung am vergangenen Freitag wurden unsere SeminarteilnehmerInnen vom stellvertretenden Chefredakteur Bernd Büttgens persönlich begrüßt, herumgeführt und mit allerlei Anekdoten versorgt.

Die Ausgangsfrage war einfach: „Wieso hat Aachen eigentlich zwei Zeitungen?“ Die Antwort wurde etwas länger und führte von der Demokratisierung der Presse in der Nachkriegszeit zur Fusion der zwei konkurrierenden Familienunternehmen AZ und AN in den 70er Jahren. Und schon saßen wir mittendrin in der Redaktionssitzung für Einsteiger: Wie wird eine Zeitung gemacht, woraus besteht sie, wann geht sie in den Druck, wer sucht die Themen aus, welche Informanten werden geschützt… Eine riesige Bandbreite an Themen eröffnete sich und machte schnell klar: Es gibt hier einiges zu lernen, und das direkt an der Quelle.

Handfeste Einblicke in den Betriebsalltag gab der Rundgang auf der Redaktionsetage: Hier arbeiten die Redakteure der einzelnen Ressorts an ihren Themengebieten und im WP_20140516_009a„Newsroom“ kann der Entstehungsprozess der Zeitung von Morgen auf großen Bildschirmen mitverfolgt werden. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs sah die Vorlage noch aus wie ein Flickenteppich: Platzhalter hier, weiße Flecken da. Bis zum Druck waren es noch über 10 Stunden, da konnte man noch keine fertige Zeitung erwarten. Spannender waren da schon die Klickzahlen der Online-Artikel, die ebenfalls auf einem der vielen Bildschirme angezeigt wurden, ein Verkehrsunfall in der Region und das Neueste zum Thema Aachener Clubsterben standen ganz oben auf der Liste. Weiterlesen »

Ran an den Job: Praxisorientierte Kurse im Sommersemester

27. März 2014 | von

Im kommenden Sommersemester gibt es am Zentrum für Kreatives Schreiben gleich zweimal die Chance, ein berufs- und praxisorientiertes Seminarangebot zu besuchen: Die Veranstaltungen Business Writing und Journalistisches Schreiben finden in direkter Kooperation mit Aachener Unternehmen statt. Sie binden die TeilnehmerInnen in die Unternehmensabläufe ein und bieten die Chance auf erste realistische Arbeitserfahrungen. Ein Ziel der Seminare ist die Veröffentlichung der produzierten Texte durch unsere Kooperationspartner.

Das Seminar Business Writing findet in Kooperation mit dem international agierenden Unternehmen IVU Traffic Technologies AG (mit Sitz in Aachen) statt, das den Studierenden detaillierte Einblicke in die Textproduktion im Berufsleben bietet. Die TeilnehmerInnen werden individuell von Projektleitern der IVU und vom Seminarleiter betreut. Die IVU ist interessiert an einem intensiven Kontakt mit den Studierenden und ist für TeilnehmerInnen aller Fachbereiche offen.SAMSUNG CSC

Das Seminar Journalistisches Schreiben bietet eine enge Zusammenarbeit mit den Redaktionen unserer Kooperationspartner, der Aachener Zeitung, der relatif und dem Hochschulradio Aachen. Nach persönlichem Interesse werden Themen gewählt, Texte spezifisch für ein gewähltes Medium geschrieben und schließlich auch veröffentlicht.

Die Anmeldeverfahren laufen bereits und sind in CampusOffice in der Rubrik Interdisziplinäres Lehrangebot/Softskills/Sprache zu finden. Weitere Informationen zu diesen und anderen Veranstaltungen des ZKS finden Sie auch auf unserer Homepage und auf Facebook.